Ebeltofthamna

Diesmal führt unsere Wanderung durch unbekanntes Gebiet. Weder Jan noch Jelle sind hier schon gewesen, ein weißer Flecken also auf ihrer Landkarte. Dass Gelände sollte aber flach sein. Die vielleicht letzte Tundrawanderung, da will ich auf jeden Fall dabei sein.

Nach Besuch bei ein paar Tranöfen (auch hier wurden einmal Wale gefangen und verkocht) laufen wir am Strand ein Stück in die Richtung zurück, aus der wir gekommen sind als wir auf einmal sehen, wie Kathrin und Sabine mit Leonie, Jan, Dirk und Joachim ins Dingy steigen. Jelle meint nur. "Belugas!". Wir waren wohl etwas zu früh von Bord. Ob sie Glück haben werden?

Wir Wanderer erhalten noch einmal Gelegenheit,uns viele kleine Pflanzen näher anzuschauen. Und erleben fast alle Bodenvarianten die wir auf der Reise schon vorher hatten,  von steinig über matschig bis hin zur Querung von Bachläufen. Am Ende unserer Wanderung kommen wir zu einer zerfallenen Trapperhütte, auf der eine Seite liegen die Reste des offensichtlich abgetragenen Daches auf der anderen die Reste des Fundamentes.  Noch ein Stückchen weiter liegt ein Ofenrohr und ein Kochtopf.
Etwa unterhab sind Gräber, eines davon nur mit Brettern abgedeckt, aber wir störten die Totenruhe nicht. Wir hatten heute schon ein Skelett gesehen, dass eines Walrosses mitten im Land. Es war vielleicht krank und dann hatten es Eisbären bis hierher gezerrt. Wie soll es sonst hierher gelangt sein? Es war bestimmt schon mehr als ein Jahr alt, aber man sah noch Haut und Fleischreste.

Zurück auf dem Schiff erzählen Kathrin ganz aufgeregt und Sabine etwas ruhiger von ihren Erlebnissen mit den Belugas. Aber, vielleicht können die beiden das ja mal selber erzählen. Da unten gibt es ja so ein Kommentarfeld.

Es folgt eine Nacht mit Motor und ohne Land zu sehen, auch wenn das Land nicht weit weg ist. Eine Nacht im Regen.

Wanderung am Raudfjord

Die morgendliche Wanderung am Raudfjord soll nicht allzu schwer sein und ich habe das dringende Bedürfnis nach Frischluft. Also schließe ich mich an, Erkältung hin oder her.

Gleich am Ufer finden wir Hinweise auf menschliche Bewohner der Gegend, eine Fuchsfalle, die aktiv zu sein scheint. Der Fuchs fällt hinein, sein Fell bleibt unverletzt.

Die Landschaft ist geprägt von Steinkreisen. Nein, nicht a la Stonehenge. Die Steinkreise hier auf Spitzbergen entstehen dadurch, dass kleineres Gestein nach unten rutscht und größere Felsbrocken nach oben drängen. Das ganze gibt es auch in einer langgezogenen Version namens Soliflux. Das ist typisch für den Permafrostboden.
Die Farben der Landschaft sind grau oder leicht graubraun, passend zum Himmel. unvermittelt unterbrochen von grünen Moospolstern mit rostroten Flechtenrändern. An einer Stelle sind die Steine lila.

Wir finden ein Rentiergeweih, das mehr als halb so hoch ist wie Jan. Davon tragen die Böcke zwei auf dem Kopf. Keine leichte Last! Sie nutzen es anscheinend im Winter auch als Schaufel, erzählt Jan. Ich nutze die Gelegenheit, meine Mitreisenden zu porträtieren.

Kurz darauf teilt sich die Gruppe. Die fitteren klettern eine Hügel hinauf während Holger, Bärbel, Kathrin, Maren, Johannes und ich zurückbleiben. Jan bittet uns, einfach einmal still zu sitzen und zu horchen. Ich höre das leise Rauschen des Windes, irgendwo kreischt eine Küstenseeschwalbe. Ich blicke mich um und sehe die Farben der Steine, dazwischen Flechten und Blumen und Moos. Eine wunderbare Stille.

Unterbrochen vom Funkgerät. Wir stehen auf und besuchen die Trapperhütte hundert Meter weiter. Zwei Bretter dienen als Lager, darüber ein breites Regal als Schrank, im Vorraum eine Bank und ein Schreibtisch. Der Boden wirkt marode. Wir tragen uns ins Gästebuch ein.

Nach einer langen Dingy-Tour zurück zur Antigua bekommen wir schon einmal zu essen. Die anderen folgen eine halbe Stunde später. Wie lange der ganze Tag werden wird, ahnen wir jetzt noch nicht.

Wanderung im Eolusneset

Dieser Tag ist ein besonderer Tag, denn wir wollen schauen, wie weit wir in die Hinlopenstraße hineinkommen.

Aber zuerst dürfen wir uns noch ein bisschen bewegen. Unterhalb des Steinhaufens, den wir schon während der Ankerwache gesehen hatten, fahren uns die Dingys an Land. Wir steigen hinauf und gehen dann quer über die Tundra. Eigentlich ist „Tundra“ für Eolusneset der falsche Begriff, denn wir befinden uns inmitten einer „arktischen Kältewüste“ . Wenn man genau hinsieht gibt es auch hier noch Blüten, klein und rosa und sehr vereinzelt. Gelegentlich richtige Mooskissen. Immer wieder Wasserpfützen und schmale  Rinnsale. Klares Wasser, das oft wie eine Linse über den Pflanzen liegt.

In einem großen Bogen geht es zurück zum Strand. Die Brandung ist zu Eis und Schnee gefroren, aber mir fällt eher die durchsichtige Eisschicht auf, die über den Kieseln liegt. Sabine stöhnt, dass es alle so eilig haben. Sie liebt es, die kleinsten Flechten und Moose zu fotografieren.
Ich finde die Wanderung sehr angenehm.  Man konnte weit ausschreiten, mußte nur ein bisschen auf die Füße achten. Der Blick ist weit, der Nieselregen bald vergessen, die Gruppe zieht sich nicht zu weit auseinander. Ich hätte gut noch weiterlaufen können.

Ach ja, der Ort wo wir wandern waren, heißt Eolusneset, weil er benannt nach dem Schiff Eolus aus einer schwedischen Spitzbergen-Expedition von 1861. Adolf Erik Nordenskiöld, einer der Expeditionsteilnehmer bezwang später als erster Mensch die Nordwestpassage

Voskopoja

Der Markt von Korca, nur gut hundert Meter vom Grand Hotel Palace entfernt, versteckt zwei Hans im Gewühl der Stände. Ein Han ist ein Hof, in denen zur Zeit der Türken Gäste untergebracht wurden. Bei Karl May kommen sie auch vor. Den einen der beiden erkennt man an den Balustraden, den anderen an den geschmiedeten Geländern. Dazwischen verkaufen Sinti und Roma Haushaltswaren und Kleider und Lebensmittel. Ein sehr bunter Markt. Ein Mann fordert mich auf, ihn zu fotografieren. Im Nachhinein eigentlich die klassische Taschendiebsituation, aber er meint es wirklich so, und hat nur die Hoffnung, das ich eine Uhr oder Parfüm kaufe. Und nickt verständnisvoll und freundlich, als ich entschuldigend mit den Schultern zucke, lächle und sage, ich könne leider weder das eine noch das andere gebrauchen.

Unser eigentliches Ziel heute morgen heißt Voskopoja. Diese Stadt war im achtzehnten Jahrhundert die größte Stadt des europäischen Balkans nach Konstantinopel. Davon merkt man heute diesem verschlafenen Dörfchen nichts mehr an. Voskopoja ist Heimat einer albanischen Minderheit – der Aromunen. Ihre Sprache ist eng mit der rumänischen Sprache verwandt. Sie gelten als Nachfahren der Thraker.

Die touristische Attraktion von Voskopoja sind seine Kirchen. Diese standen noch 2005 auf der Liste für die zehn am meisten gefährdetsten Monumente der Welt (warum jetzt nicht mehr, ich konnte darüber nichts finden) und sind wahre Schmuckstücke, die dringend renoviert werden sollten. Ein kleiner Junge bringt uns zur ersten von vieren die wir uns näher ansehen.

Der dunkelgrün gewandete Pope schließt uns einen blauen rauchgeschwärzten Kirchenhimmel auf und erklärt in einem Gemisch aus Französisch und Italienisch, das die Kirche hauptsächlich in der Osterzeit bis Pfingsten genutzt wird und das die Fresken viel von dieser Zeit erzählen. Außen  an der Kirche ist eine Heiligengalerie in Freskenform, von irgendwelchen Idioten (Kriegsfolgen? Hoxha?) mit eingeritzten Namen verziert.

Die Marienkirche – ehemals Bischofskirche, betrachtet wir nur von außen.

Dann geht es über Eselspfaden quer durch das Dorf

und vorbei an einem störrischen Pferd, das den Weg bald zehn Minuten versperrt

zur dritten, St. Athanasios, bei der wir die Aussengalerie auch mal in Ausführlichkeit fotografieren können. Deutschland ist übrigens an der Renovierung beteiligt.


Hinter der Kirche bis hinunter ins Tal liegt ein Friedhof, die Gräber so ausgerichtet, als ob die Verstorbenen die schöne Aussicht bewundern sollen. Unten an einem Grab hat sich eine kleine Gruppe gebildet, der wir uns auf dem Weg hinunter langsam nähern. Da erklingt der Singsang und das Trillern der Klageweiber, dann auf einmal ein herzzerbrechendes Schluchzen als sich der Sarg ins Grab senkt und eine Frau wird von zwei Männern in ihrer Trauer gestützt.

Auf dem Weg hinauf zur letzten Kirche – St. Johannes Prodomos – gewinnen wir Abstand vom gerade erlebten. Bald eine Stunde geht es steil und ohne ein gerades Stück hinauf durch eine Landschaft aus beschatteten Bergen, sonnenbeschienenen Wiesen und Nadelwäldern. Ich bin zwar zufrieden mit meiner Kondition, aber eher hinten an und komme so gerade rechtzeitig, als die Kirche aufgeschlossen wird. Sie ist innen weiß mit beige und in schlechtem Zustand. Und definitiv – so lange wie die Wächterin nach dem Schlüssel gesucht hat – nicht oft von Touristen besucht.

Vier Kilometer von Voskopoja essen wir im Garten eines rustikalen Restaurants zu Mittag. Der junge Bär in seinem viel zu kleinen Käfig diente als Touristenattraktion. Jeder der dies liest und nach Albanien kommt, sollte immer wenn er sowas sieht den Wirtsleuten klar machen, das sowas Tierquälerei ist und keine Attraktion. Aber die Albaner sind anscheinend noch nicht soweit, darauf selber zu kommen.

Das Ikonenmuseum von Korca ist eigentlich das Museum mittelalterlicher Kunst von Albanien und hat mehr als 6500 Exponate in seinen Lagern. Ausgestellt sind davon gut 50, Ikonen aus den Epochen vom 13. bis zum 18. Jahrhundert und ich beginne, Muster zu erkennen.

In der Kathedrale hielt ein einsamer Pope mit nur einer Gottesdienstbesucherin Gottesdienst, schwenkt den Weihrauch vor und hinter der Ikonostase und singt den Ritus. Ich höre ein paar Minuten zu, bevor es Zeit wird fürs Abendessen.

Nach Albanien haben es übrigens mittlerweile auch die Japaner geschafft, sie sitzen zu 40 in der Hotellobby auf ihrem Weg durch den Balkan. Jedes Land zwei Tage. Nun ja.