Adventsdalen und Alkhornet

Am Morgen sieht alles noch so aus, wie in der Nacht zuvor. Es war wirklich die ganze Nacht taghell und ich wurde immer wieder wach, bis ich gegen fünf die Klappe des Bullauges geschlossen habe. Danach habe ich dann bis halb Acht durchgeschlafen. Halb Acht, weil es um halb Neun Frühstück geben sollte.

Nein, es ist doch nicht alles so wie in der Nacht zuvor. Die Sonne steht immer noch hoch am Himmel, aber sie scheint aus einer anderen Richtung. Ein paar Minuten bleiben noch, um den blauen (!) Himmel zu genießen.

Das Wasser glitzert unter der Sonne. An diese Landschaft muss ich mich also jetzt gewöhnen. Karg sind die Berge. Hier um Longyearbyen haben nur die höchsten Gipfel eine Lage Schnee.
In einem dieser Schneelöcher sitzt ein einsames Rentier mit einem sehr langen Geweih.

Joachim kommt mit dem Austauschmotor zurück und so gegen halb elf fahren wir los, verlassen den Adventsdalen und fahren Richtung Ausgang des Isfjords. Zuerst vorbei an den Wochenendhäuschen der Leute von Longyearbyen, aber schnell sind die letzten menschlichen Spuren hinter uns. Über dem Strand wabert Nebel, ansonsten herrscht strahlender Sonnenschein. Aus den Bergen ragen Kegel heraus und man sieht genau, wo Vögel nisten. Ihr Dünger macht alles darunter grün. An geschützten Ecken liegen Schneefelder. Wir sehen den ersten Gletscher.

Am Alkhornet – einem Vogelfelsen – gehen wir dann gegen fünf auf unsere erste Wanderung auf ungebahnten Wegen. Quer durch ein Geröllfeld geht es teils steil hinauf. Ich habe immer Sorge abzurutschen, bin da aber wohl  die Einzigste (oder die anderen lassen sich nichts anmerken). Jelle und Jan tragen wegen der Eisbär-Gefahr Gewehre mit sich. Einer der Beiden läuft bei den Vorderen, einer bei den Hinteren (nicht umbedingt immer ganz vorne oder ganz hinten).
Die eigentliche Attraktion der Wanderung sind aber die vielen Pflanzen. Svalbard ist teilweise ein Blumenmeer. Aber die Blüten sind so winzig, das man genau hinsehen muss. Trotz ihrer Farbenpracht.
Die Antigua unten in der Bucht sieht nicht viel größer aus.

Zurück auf dem Schiff steht dort die erste Mal die Wasserschale, in der wir die Stiefel reinigen müssen.

Um 20 Uhr gibt es Abendessen – Chili con Carne  Ordentlich scharf! So viel ist sicher: Kochen kann Tricia.

Und dann rennt Karin in den Salon: "Die Segel werden gesetzt!". Schon sind alle an Deck. Freiwillige werden zum Helfen gesucht. Am vorderen Mast werden die drei Segel nach und nach herunter gelassen.

Aber nach einer Stunde, wir sind aus dem Isfjord heraus, werden sie schon wieder heraufgezogen. Der Wind reicht nicht :-(

Longyearbyen

Morgens, in der Hotellobby in Oslo, sehen wir zum ersten Mal unsere Reisegruppe. Ich bin positiv überrascht über den Altersdurchschnitt, der in etwa in meinem Alter, vielleicht sogar darunter liegt. Auf dem Weg durch den Check In bis zum Flugzeug verläuft sich die Gruppe aber erst einmal wieder.

Spitzbergen wird zwar von Norwegen verwaltet, liegt aber wesentlich weiter von Oslo entfernt als Frankfurt. Erst nach knapp vier Stunden Flug taucht das Flugzeug durch die Wolkendecke und wir sehen zum ersten Mal die Berge von Svalbard, schneebedeckt mit nur wenig strahlenförmigen schwarzen Streifen. In Küstennähe malen Flussläufe Fadenspiele in grellgrüne Deltas hinein.

Um zwei Uhr Mittags landen wir auf Svalbard – so der norwegische Name der Inselgruppe. Erst wenn man es genauer nimmt, landen wir auch auf Spitzbergen, denn das ist der Name der Hauptinsel.

Die Koffer umkreisen einen ausgestopften Eisbären, den wir natürlich pflichtschuldig fotografieren.

Draußen wartet der Bus, der uns zum Hafen bringt. Da liegt es vor uns, unser Schicksal für die nächsten zwei Wochen, ungefähr 50 m vom Ufer entfernt. Und wirkt winzig. Ob wir da wirklich alle drauf passen?
Bis wir uns das näher ansehen können, wird noch ein bisschen Zeit vergehen. Nur die Koffer setzen in einem Dingy (in der Antarktis hat man das Zodiac genannt) über.

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Uns bleiben jetzt geschlagene viereinhalb Stunden für die Inselhauptstadt Longyearbyen. Eine Hauptstadt in Dorfgrösse mit viele bunt angemalten Häuser, neben denen Schneescooter stehen. Schnee ist aber weit und breit nicht zu sehen, sieht man von den Berggipfeln ab. Und es ist kaum jemand auf der Straße. Sonntag nachmittag. Ob die gerade alle Kaffee trinken? Oder Tee?
Küstenseeschwalben kreisen laut schreiend über den Kiesfeldern am Straßenrand und greifen an, wenn man ihren Nestern zu nahe kommt. Auf den Wiesen zwischen den Häusern blühen weiße Wattebäusche – Wollgras genannt.

Nach einem ersten Rundgang durch die Stadt gehen wir zum Touristenzentrum: Postkarten kaufen, denn diese Gelegenheit werden wir danach höchstens noch in Ny Alesund, vielleicht noch, gegen Ende der Reise in Barentsburg, haben. Das Gebäude beherbergt auch das Svalbardmuseum mit einer wirklich sehenswerten Ausstellung über die Inselgruppe und ihre tierischen und menschlichen Bewohner. Gezeigt werden historische Artefakte und die heimische Tierwelt in Form von ausgestopften Exemplaren. Der Eisbär hat eine wirklich beachtliche Größe. Kathrin meint, es sei ein Weibchen. Ok, dann möchte ich definitiv keinem Männchen begegnen, denn die Männchen sind noch größer.

Wir trinken Kaffee an der Hauptstraße und laufen noch hoch zur ökumenischen Kirche.

Von hier oben wirkt die Antigua noch kleiner.