Abends im Eismeer

Abends im Eismeer, daß ist schon etwas ganz besonderes. Um diese Jahreszeit ist eigentlich Mitternachtssonne, es ist um Mitternacht, fast wie 12 Stunden vorher. Aber das Licht ist viel wärmer zur späten Stunde.

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Wir versuchen, durchzuhalten, bis die Sonne ihren Tiefstand erreicht hat. Aber die Müdigkeit ist stärker als wir.

Und da sind Eisberge, soviele Eisberge.

Ilulissat

Ilulissat, das Städtchen am Ende des Eisfjords ist ebenfalls von Eisbergen umgeben, heute zum Glück aber nicht umzingelt, so daß wir mit dem Segelschiff recht nahe an die Stadt herankommen. Mit ca. 5000 Einwohnern ist Ilulissat die drittgrößte Stadt Grönlands. Die Menschen leben dort vom Meer. Durch die Nähe des Gletsches sind die Gewässer des Eisfjords besonders nährstoffhaltig, weswegen der Fjord besonders reich an Plankton ist. Plankton wiederum zieht Fische an, insbesondere Heilbutt. Auch Krabben werden hier gefangen und verarbeitet. Sowohl Fisch als auch Plankton wiederum ziehen Wale an – was wir gestern Abend schon feststellen konnten.

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Es ist warm an Land in Ilulissat, noch wärmer als in der Nähe des Gletschers, insbesondere, wenn man vom Schiff kommt und wie ich noch die dort erforderliche wärmere Kleidung an hat. Viel los ist heute auch nicht gerade, die Straßen sind ziemlich leer. Elfi und ich ziehen alleine los auf der Suche nach Postkarten.  Zwar sehen wir auch einige Einheimische, aber die meisten Leute auf der Strasse sind offensichtlich Touristen.

Die Zionskirche, die man eigentlich besichtigen kann ist zu, aber davor steht eine Bank in der Sonne mit Blick auf einen großen Eisberg. Auch nicht schlecht.

Postkarten finden wir neben einem Geschäft mit dänischem Softeis (ohne Schokolade, wie einer meiner Mitreisenden entäuscht anmerkt) um die Ecke von einem Workshop in dem Tupilaks hergestellt werden. Tupilaks kleine geschnitzte Figuren, manche ziemlich unheimlich dämonisch und eine der klassischen Souvenirs aus Grönland. In der Schnitzerei riecht es für mich sehr unangenehm nach Knochenmehl und ich verlassen den Laden schnell.

Im Supermarkt – durch eine Gasse gegenüber von den Tupilaks wirkt das Angebot wie bei uns, nicht jedoch die Marken.

Elfi hat heute Rücken und keine Lust auf viel länger als halb sechs und ich bei der Wärme auch nicht. Der Zodiac mit 11 Leuten kehrt zurück zum Schiff. Vor uns fährt eine einheimisch Familie ab. Eine Glasvitrine wird vorsichtig über den Steg getragen und auf eine Decke gelegt. Mich erinnert das an Hong Kong. Die Kinder im Boot neben uns halten sich die Hand vors Gesicht als Elfi fotografieren will. Sie wollen nicht aufs Foto. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie häufig von Touristen fotografiert werden.

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In Illulissat nehmen wir auch unsere letzten Passagiere auf, Gitta und Matthias, ein Ehepaar aus Berlin, dass wegen des Nebels nicht von Ilulissat nach Aasiaat hatte fliegen können. Sie stehen mit ihrem Gepäck am Bootssteg. Erst nach der Reise stelle ich fest, das sie genau die Beiden auf dem Foto neben den Metalliglus sind, die wir bei der Einfahrt gesehen hatten. In diesen Metalliglus wohnen übrigens keine Einheimischen, die Iglus sind Teil des Hotels Arctic und dort können Touristen den Ausblick auf den Fjord genießen. Und auf unser Schiff. Wenn ihr das auch wollt (auf den Fjord, das Schiff ist weg), dann schaut mal durch die Webcam.

 

Wanderung bei Claushavn

Morgens sind um ums herum Eisberge.

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Kein Wunder das hier Eisberge sind! Wir sind mitten im Weltnaturerbe des „Kangia“ – des Ilulissat-Eisfjords an dessen Ende sich der Gletscher Sermeq Kujalleq befindet, einer der aktivsten und schnellsten Gletscher der Welt. Bis zu 35 Meter am Tag schiebt er sich in den Eisfjord hinein. Ich zitiere mal Wikipedia, selbst die trockene Lexikonsprache ist hier schon beeindruckend genug: Der Gletscher „vereinigt nach Angaben der NASA etwa 6,5 % der gesamten Eismasse des Landes auf sich. Die Masse der Eisberge, die sich pro Jahr von seiner Gletscherzunge ablösen, summiert sich auf bis zu 35 Milliarden Tonnen; damit kalbt der Gletscher am häufigsten auf der gesamten Nordhalbkugel. Einzelne Eisberge können dabei mehrere Kilometer lang und bis zu einem Kilometer hoch sein.
Bedingt durch die rege Gletscheraktivität ist der Fjord vollständig mit Eis und Eisbergen gefüllt. Das sogenannte „Kalben“ des Gletschers ereignet sich zumeist während des Sommers. Dabei lösen sich riesige Eisberge mit einer Größe von bis zu 700 Metern (10 bis 12 % davon über Wasser) von der Gletscherkante. Zum Erreichen des meerseitigen Endes des Fjords benötigen die Eisberge rund 12 bis 15 Monate. Der Gletscher führt geschätzt zwischen fünf und 10 % der Wassermenge ab, die Grönland ins Meer abgibt.
Am meerseitigen Ende befindet sich 200 bis 225 Meter unterhalb des Meeresspiegels eine Moränenablagerung, an der die größeren Eisberge unter Wasser hängen bleiben. Dies ist die Ursache für eine Ansammlung riesiger Eisberge an dieser Stelle.“

Und das wollen wir uns jetzt während einer Wanderung von Land aus von oben ansehen.

Trotz der Eisberge ist warm. Wo ich in Spitzbergen immer eine warme Unterhose an hatte, reicht hier die windabweisende Wanderhose (und im Zodiac die Regenhose drüber, man hat ja nicht so gerne einen nassen Hintern). Und die Warnung vor grönländischen Mücken ist absolut berechtigt. Die Luft ist hier definitiv proteinhaltig und die Viecher fliegen in jedes verfügbare Loch, in Mund Nase und Ohren. Erst ein bisschen weiter oben, wo wieder Wind weht, läßt die Eiweißdichte etwas nach.

Die Bodenvegetation ist, das fällt mir gleich auf, höher als auf Spitzbergen, aber die Nadelhölzer sind eigentlich genauso winzig. Und auch hier gibt es jahrhundertealte Flechten, auf die wir treten und die sich vermutlich davon nicht so schnell erholen werden, das hat die Pflanzenkundlerin unserer Reisegruppe damals auf Spitzbergen immer wieder gepredigt.. Mit dem „nur die Fußspuren zurücklassen“ ist das in der Arktis so eine Sache.

Oberhalb der Stelle, wo der Gletscher in den Fjord hineinfließt finden wir Grabkreuze. Ein kleiner Friedhof, der vermutlich zum Örtchen Claushavn gehört. Die Gegend ist weder so gottverlassen noch so menschenverlassen wie sie aussieht. Aber der Weg hinaus zu den Gräbern ist weit. Allzuoft werden diese sicherlich nicht besucht.

Der Blick der Toten und der Lebenden auf den Sermeq Kujalleq ist grandios. Wir sehen nur das Ende der Eismassen, aber sie türmen sich zu erheblichen Höhen auf (nicht bis zu einem km, da hat Wikipedia vielleicht etwas übertrieben, aber 100 Meter könnte schon hinkommen). Weisses Eis mit braunen Streifen in tiefblauem Eiswasser. Die bunten Farbtupfer unserer Wanderjacken wirken dagegen winzig. Über allem weht der Wind.

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Auf dem Rückweg hat es unser Guide eilig. So eilig, daß wir selber unseren Weg finden müssen durchs Gestein. Ich gehe mit Sabine. Sie hat einen Wanderstock dabei und ist sehr trittsicher, hat aber ungefähr mein Tempo. Und wenn man nicht gerade eine Mücke im Mund hat kann man sich da sogar halbwegs gut unterhalten.