Es ist schon spät nachmittags, als ich im Hotel in Reykjavik draussen vor der Stadt ankomme. Aber es gibt glücklicherweise noch einen Shuttle-Bus, der vom Hotel ins Zentrum fährt. Und wenn man schon mal da ist …
Ich rechne nicht wirklich damit, daß noch etwas geöffnet hat, außer ein paar Restaurants und so spaziere ich einfach los und schaue mir die Gegend an. Zuerst gehe ich den Hügel hinauf, Richtung Hallgrímskirkja. Vor der von außen architektonisch expressionistisch gestalteten Kirche wacht Leif Erikson, Entdecker Islands. Wieder erwarten ist die Kirche noch offen. Von innen ist sie eher konventionell gestaltet, aber licht und hell und vom Altarraum aus hat man einen Blick über einen Fensterreihe über die Stadt. Die Rückenlehnen der Bänke lassen sich übrigens von vorne nach hinten schwenken, so daß man sich seinem Hintermann auch gegenüber setzen kann.
Ich komme mit der Frau an der Kasse ins Gespräch, die deutsch spricht und sie macht mich auf die Orgel aufmerksam: „Die Orgel ist aus Deutschland, aus Bonn.“ Bei mir macht es klick, „Eine Klays-Orgel?“ frage ich. Wir haben nämlich bei uns in der Gemeinde (St. Bonifatius Sachsenhausen) auch eine. „Ja!“ Die Frau ist ganz begeistert, daß mir diese Orgelmanufaktur bekannt ist. „Eine große Orgel?“ fragt sie. Nein, ganz so groß wie die Orgel in Reykjavik ist die Orgel in Boni nicht. Aber sie klingt schon ziemlich gut. Wer also die Gelegenheit hat, mal in der Hallgrimskirkja ein Orgelkonzert zu besuchen, der sollte dies nutzen!
Vom Turm der Kirche (mit einem Aufzug zu erreichen, dann folgen noch ca. 20 Stufen) hat man einen schönen Blick über die bunten Häuser der Stadt und die Fjorde rundum, der sich ebenfalls lohnt.
Wieder unten angekommen, lasse ich mich treiben und stromere durch die Straßen, nehme hier einen Abzweig und laufe dort mal einen Hügel hinauf. Reykjavik ist zwar Hauptstadt Islands, aber nicht wirklich eine Großstadt sondern – insbesondere an diesem Abend – eher gemütlich. In einem betörend duftenden von Blüten übersäten Strauch summen Hummeln. Immer wieder wachsen Margariten am Straßenrand. Und immer wieder sehe ich bemalte Häuser, auch Grafitti, aber vieles sieht eher nach einer Auftragsarbeit aus. Auf einem Platz hat sich die Jugend der Stadt versammelt und übt Skateboard. Die Jungs tragen Islandpullis und sehen geradezu brav aus.
Auf einem großen Platz sitzen die Leute draußen in der Spätabendsonne und genießen das Leben.
Am Merr entlang komme ich zum Sonnenschiff Solfar vorbei. Davor, auf einer Stehle, ist ein Text des Künstlers Gunnar Arnarson eingemeißelt.
„Sun Voyager – we all have our fantasy boats, vessels that we dream of sailing away in, into the dream. In my ships I unite my own fantasy, precision and the knowledge that boat builders have developed throughout the ages. The sun ship gives us the promise of a primeval land“
und ich denke an die Reise mit der Rembrandt von Rijn – einem Segelschiff – die mir in den nächsten Tagen bevorsteht
Ein paar hundert Meter weiter komme ich dann am Konzerthaus von Reykjavik, Harpa, mit ihren spiegelnden Glaskacheln vorbei. Vor dem Haus verlaufen eingefasste Bachläufe, die man mit einem kleinen Sprung überqueren muß. So habe ich doch gar nicht so wenig von Reykjaviks Sehenswürdigkeiten quasi im Vorbeigehen mitgenommen.
Bei mir hat mittlerweile die Erholung eingesetzt. Einfach sich treiben lassen, tief Luft holen, einen Fuß vor den anderen setzen und gucken, was um einen herum so passiert und was so vorbeikommt.