Eine hinduistische Wallfahrt

Vor der Wallfahrt nach Bet Dwarka kommt erstmal ein Shiva-Tempel. Ein nicht ganz unwichtiger: Der Nageshwar Jyothirlinga Tempel ist einer von 12 Tempeln in Indien, in denen Shiva in der Form eines besonderen Lingams verehrt wird. Hindus mit einer höheren Bewußtseinsstufe sollen diesen Lingam als Feuersäule sehen können, die in die Erde reicht.
Am auffälligsten an diesem Tempel ist sicherlich die riesige Shiva-Statue auf dem Gelände mit Dreizack und dem Ganges – laut Legende aus dem Haar Shivas entsteht – auf dem Kopf.

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Bet Dwarka ist eine Insel im Meer vor Dwarka selber. Auf dieser Insel ist ein Krishna-Heiligtum. Denn es wird erzählt, dies ist der einzige Teil der alten Stadt Dwarka (die Krishna gegründet haben soll) sei, die heute noch über der Meeresoberfläche liegt. Und zu diesem Heiligtum kommt man nur per Boot.

Der Weg zum Hafen führt quer durch ein Chemiewerk des Tata-Konzerns. Tata, dem wahrscheinlich nicht nur halb Indien gehört. Hergestellt wird im hiesigen Werk  z.B. Soda, gedacht für die Industrie. Schwarz rauchende Schornsteine hatten wir schon bei unserer letzten Fahrt von weitem gesehen. Wie es um die Umweltverschmutzung bzw. den Umweltschutz in den hiesigen Chemiewerken steht oder nicht steht, wer kann es sagen?

Am Hafen erwartet uns ein schon gut gefülltes Schiff. Rund herum auf den Bänken sitzen Leute und an jedem freien Rand, an dem man sich anlehnen kann, ist der Boden schon besetzt. Elfi fragt vorsichtig an, ob es nicht noch ein anderes Boot gäbe. Womit sie meint, eines das weniger gefüllt ist. Gibt es aber nicht. Tja, wenn wir rüber möchten, müssen wir da wohl durch.
Elfi und Ravi finden noch einen Platz auf der Bank, weil Leute zusammenrücken. Bärbel und ich sitzen in zweiter Reihe auf dem Boden in der Mitte des Schiffes, hinter uns indische Frauen, vor uns die Beine anderer Pilger. Nicht das das Boot damit schon voll ist. Ravi murmelte irgend etwas von 200 Leuten, bis wir los fahren. Als wir endlich ablegen, kann ich das Meer, über das wir fahren so gut wie gar nicht sehen. Im Reiseführer steht etwas von gefährlich überfüllten Pilgerbooten. Nun ja. Die Frauen hinter mir lächeln mich an. Der kleine Junge verzieht nur dann kurz eine Miene, als im Bärbel einen Stift gibt.

Da erhebt sich ein gemeinsamer Ruf: “Jay Ram”. Die Pilgerfahrt hat begonnen.
Der Ruf wiederholt sich, als wir kurz vor dem Anlegen sind.

Vor uns werden zwei alte Frauen auf einem Karren die Straße hinauf bugsiert Der junge Mann, der sie schiebt, läuft fast waagerecht den Berg hinauf

Der Krischnatempel selber ist noch nicht geöffnet, das soll gegen 17 Uhr passieren. Ravi will uns gleich an den Anfang der Schlange platzieren, aber ich habe damit ein kleines Problem. Schließlich bin ich Christin. Woher soll ich wissen, wie weit ich gehen kann oder darf um genug zu erfahren und wann und wie ich zurückbleiben kann ohne jemandes Gefühle zu verletzen  Ravi weiß es auch nicht, er war noch nicht hier. Es ist ja auch sein erstes Mal in Gujarat.
Da Elfi und Bärbel eigentlich keine Lust auf einen weiteren Tempel von innen haben, machen wir uns auf den Rückweg, nicht ohne noch einen Masala Chai zu trinken, frisch mit Kardamom und Ingwer gemacht.

Am Hafen von Bet Dwarka raufen zwei Jungs spielerisch in den Fischernetzen.

Und – o Wunder – wir finden tatsächlich noch ein Boot zurück, dass nicht überfüllt ist. Ein lokaler Fischer bringt ein paar Dorfbewohner zurück und nimmt uns gleich mit.

Ich hatte auf dem Boot übrigens nicht fotografiert, auch weil ich merkte, das die Gesichter der Frauen, die gegenüber saßen, auf einmal ausdrucklos wurden, als Bärbel und Elfi ihre Apparate auf sie richteten. Aber als wir das Boot verlassen, setzt eine Frau einen Kanister auf den Kopf und lächelte auffordernd. Sie amüsierte sie sich sichtlich, als wir immer wieder vor ihr her eilten, bis wir sie schließlich auf Höhe unseres Auto gehen ließen.

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Auf dem Rückweg besuchen wir den Tempel der ersten Frau Krischnas. Krishna muss ein ziemlicher Held (er kämpfte gegen Dämonen), aber auch ein ziemlicher Weiberheld (drei Frauen und dann noch Geliebte) gewesen sein. Das Mahabharata erzählt von ihm. Aber gleichzeitig stammen die wichtigsten Lehren des Hinduismus – die Bhagavadgita – von ihm.

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Kurz vor dem – neuen – Dwarka passieren wir eine Polizeikontrolle. Nepal muss raus aus dem Auto, die Papiere zeigen. Ravi schnallt sich hektisch an. “Was passiert, wenn man hier ohne Gurt auf dem Beifahrersitz sitzt?” fragen wir. “500 Rupien” meint er nur, “in den großen Städten, hier aber nicht.” Aber sicher ist sicher. Auf jeden Fall ist das erste, was Nepal macht, als er wieder ins Auto steigt, ein Griff auf die rote Taste von Ravis Gurt zum losmachen. :-)
Anschnallen muss man sich in Indien übrigens offiziell nur auf dem Vordersitz. Wir sind die letzten Tage ganz schön nachlässig geworden. Trotz indischen Straßen. Die Leute, die auf den Ladeflächen der Lastwagen und halb draußen hängend auf den TucTucs fahren oder die Frauen im Damensitz seitlich als Beifahrerinnen auf dem Motorrad, nehmen das Leben auf diesen Straßen auch ziemlich leicht.

Blumenregen auf Dwarka

Schon auf dem Weg nach Dwarka hatten wir immer wieder Pilger gesehen, die eine rote oder orangene gold geränderte Fahne bei sich trugen. Auf dem Weg nach Dwarka.

Dwarka: die Legende erzählt, im alten Dwarka sei Krishna – eine der Inkarnationen des Gottes Vishnu – König gewesen. Das alte Dwarka versank, nachdem Krishna die Erde verließ. Dort, wo heute Bet Dwarka liegt, eine Insel, die wir am Nachmittag besuchen werden. Den Dwarkaish Tempel hier in Dwarka soll ein Enkel Krishnas erbaut haben. Der Tempel, den man heute sieht, stammt aus dem 16. Jahrhundert. Und ist wirklich beeindruckend. Er ist nicht farbig, aber hat sehr fein gearbeitetes Steinwerk, Muster über Muster in Stein gemeißelt.

Ein Kreis Frauen sitzt in einer Ecke des Tempelhofs und säubert Bohnen. Eine Mahlzeit für die Priester. Es gibt hier eine ganze Reihe Priester jeder Altersstufe, denn ein paar Dutzend Jungs werden hier ausgebildet.
Eine der Frauen in smaragdgrünem Sari spricht mich an und es wird ziemlich schnell deutlich, das sie wissen will, wie mir der Tempel gefällt. Und ich sage “Beautiful!” und das meine ich auch.

Hinter einer Ecke blicken gerade alle, die dort stehen, auffällig nach oben. Ravi meint, da würde eine Fahne ausgerollt. Ich suchte mir eine halbwegs schattige Ecke und schaue immer wieder vom Tempeldach zu den hochschauenden Menschen und zurück. Oben auf dem Tempeldach in vielleicht 50 Metern Höhe klettern zwei Männer herum. Ungesichert. Und schließlich wird die Fahne immer länger, fängt an zu flattern und entlässt eine Last an Blumen oder Götterspeise in die Jubelschreie der Wartenden hinein.

Draußen vor dem Tempel fragte mich jemand dasselbe. Und dann ob ich Lord Krishna auch beautiful finden würde. Was soll ich sagen. Ich bin Christin. Ich glaube nicht daran. Ich kann nur schön finden, wie jemand näher zu Gott kommt.

Im Tempel durfte man, wie so oft, nicht fotografieren, daher hier nur ein paar Eindrücke von außen.

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