Die Terrakotta-Armee, die kleine Wildganspagode und ein Abend im muslimischen Viertel von Xian

Habe ich eigentlich schon etwas über das Wetter berichtet? Nein, ich glaube nicht. Ist auch ziemlich ereignislos. Es scheint nämlich Tag für Tag die Sonne und es ist angenehm warm. Ich würde sagen so um die 24 Grad.

Aber heute gab es wichtigeres als das Wetter. Unser Ziel war die Hauptattraktion Xians, die Terrakottaarmee.
Vorher besichtigten wir eine Terrakottafabrik.

Terrakottashop

Dort konnten wir uns ansehen, wie die Soldaten der Armee damals hergestellt wurden: An der Herstellung beteiligt waren bis zu 10 Personen, darunter vermutlich ein Meister. Die Beine bis zum Rockansatz sind aus massivem Ton. Erst der Körper darüber und der Kopf sind ausgehöhlt. Es gibt 5 verschiedene Typen von Soldaten: Bogenschützen, Fußsoldaten, Generäle und zwei weitere. Die Gesichter der vermutlich um die 6000 mannshohen Soldaten sind samt und sonders individuell – was für eine Leistung!
Nach der langen Zeit ist allerdings so gut wie kein Soldat mehr heile geblieben. Die Decken der Gänge in denen sie aufgestellt waren, waren eingestürzt. Die Leistung der Archäologen, die für die Restaurierung sorgen ist also vergleichbar mit denen der Handwerker (mindestens). Aufgestellt waren und sind die Soldaten in Viererreihen nebeneinander und man kann eine Vorstellung von der Schlachtordnung damals bekommen. Ziemlich beeindruckend. Tja, so kann eine Pazifistin auf einmal Begeisterung für eine Armee entwickeln.
In einer weiteren Halle konnten wir den Kommandostand der Armee begutachten. Alles was fehlt ist der Kaiser, aber dieser liegt ja in seinem Grab.
Ein bißchen überkam mich das beunruhigende Gefühl, diese Armee sei damals durch einen Fluch versteinert worden und erwacht irgendwann wieder zum Leben.

Terrakottaarmee

Die Armee umgibt in ca. 1,5 km Entfernung das Grab des ersten Kaisers. Das Grab selber ist noch nicht geöffnet. Die Sage berichtet, das im Grab das Reich des Kaisers nachgebildet ist mit Flüssen aus Quecksilber. Ein Gerücht, an dem nach neusten Messungen in 2007 wohl etwas wahres dran ist. Keiner weiss ob das stimmt, aber man befürchtet bei Graböffnung eine Bodenverseuchung und die Archäologen wissen noch nicht wie sie das verhindern sollen.

In der Nähe des Grabes wurden schon erste Grabungen durchgeführt und man stiess auf 2 fast perfekt erhaltene Streitwagen aus Bronze im Grössenverhältnis 1:3 in hervorragender handwerklicher Arbeit.

Streitwagen

Der Tag schloss mit einer Besichtigung der kleinen Wildganspagode.

Kleine Wildganspagode

Pagoden sind Aufbewahrungsstätten für Reliquien oder wie in diesem Fall für Bücher bzw. Schriftrollen. Den Inhalt bekommt man aber als Tourist nicht zu sehen. Stattdessen kann man durch die umgebende Parkanlage wandern.
Weiter hinten im Park spielte ein Mädchenorchester in traditionellen Gewändern klassische chinesische Musik.

Mädchenorchester

Hier eine Kostprobe

Zum Abendessen ging es noch ins muslimische Viertel, Fleischspiesse essen. Nachdem ich das Essen auf der Straße gesehen hatte, war meinem Magen schon etwas mulmig, aber das ganze hatte bis auf Wohlgeschmack keine Folgen.

Hendrick und ich beschlossen den Abend dann bei einem Bummel durch das Viertel. Unglaublich, wieviel hier des Nachts noch auf den Straßen los ist. Natürlich haben die Garküchen noch offen. Kinder spielen auf dem Bürgersteig Federball. Taxen drängen sich zwischen den Fahrrädern. In den Hauseingängen wird Mahjongg gespielt.
Und in einem Kaffee auf dem Weg zum Hotel gab es Schwarzwälder Kirschtorte und Frankfurter Kranz (nein, ich habe nichts gegessen, aber gestaunt) und auf einer Tanzfläche vor der Stadtmauer tanzten chinesischen Paare langsamen Walzer.

Zwischen den Stadtmauern von Xian und im Provinzmuseum von Shaanxi

Gegen 6 Uhr ging das Licht wieder an und eine Stunde später waren wir in Xian.

Im Hotel machten wir uns frisch und früstückten. Hier gab es auch chinesisches Frühstück. Nicht schlecht sind Hefeteigtaschen und Nudeln. An die anderen Sachen habe ich mich noch nicht rangewagt.

Elfi, Gudrun, Siegfried, Heinz, Monika und ich machten uns dann auf in das Innere der Stadtmauern. Xian hat nämlich die einzige noch hervorragend erhaltene Stadtmauer Chinas, ein imposantes Bauwerk. Schon vor den Mauern an den Stadttoren ist morgens viel los. In abgegrenzten Plätzen wird getanzt und gesungen und Sport getrieben.

Hinter der Mauer beginnen gleich Geschäfte und Garküchen. Wir bogen ab in das moslemische Viertel. Sehr exotisch. Das Fleisch für die Fleischspiesse wird auf den Straßen zerkleinert. Haarscharf daran vorbei fahren die Autos und Rikschas.

Xian

Wenn man genau hinschaut entdeckt man eine kleine Moschee. Wir wollten aber zur grossen Moschee.
Ein einzigartiges Bauwerk, weil es eigentlich aussieht wie ein chinesischer Tempel. Das Minarett ist eine Pagode. Erst das letzte Gebäude ist dann die Gebetshalle.

Moschee

Um die Moschee herum sind die Touristenstände. An ihnen vorbei geht es zum Trommelturm und zum Glockenturm – eine Kombination wie man sie auch in Beijing finden kann. In der Nähe des Trommelturms aßen wir in einem extrem billigen Maultaschenrestaurant. Maultaschen sind die Spezialität dieser Region.

Da ich keine Lust auf das moderne Zentrum mit seinen Kaufhäusern hatte, fuhr ich alleine mit dem Taxi zum Geschichtsmuseum.
Auf der Fahrt gelang mir auch ein kleiner Film über chinesische Ampelphasen.

Das Geschichtsmuseum von Xian ist das zweitgrösste und modernste Museum Chinas. Mich interessierte es vor allem, um einen überblick über die verschiedenen Dynastien zu bekommen, die für die Provinz Shaanxi, deren Hauptstadt Xian jetzt ist, relevant sind. Xian war nämlich über 700 Jahre die Hauptstadt Chinas (und um 700 n. Chr. mit 2 Millionen Einwohnern wohl die grösste Stadt der Welt. Und kosmopolitisch mit Einwohnern aus Indien und Persien und anderen Ländern Asiens).
Der erste Kaiser Chinas, Qin, dessen Terrakottaarmee wir morgen sehen werden, kam von hier.
Das Museum ist wirklich ziemlich gut. Es beginnt in der Steinzeit (nein, da gab es noch keine Kaiser) und vollzieht anhand von Keramiken und Metallgegenständen die Entwicklung Chinas nach. Glücklicherweise sind etliche Ausstellungshallen und Gegenstände auch auf Englisch beschriftet, so dass man wirklich versteht, worum es geht. Ausgestellt sind Haushalts- und Ritualgegenstände und man kann deutlich sehen, wie sich ein Gegenstand aus dem anderen stilistisch entwickelt hat. Besonders gut gefielen mir die sehr plastischen und realistischen Miniaturdarstellungen z.B. von Kochherden oder Einrichtungsgegenständen. Man kann eine Vorstellung bekommen, wie die Menschen damals gelebt haben. Natürlich geht das Museum auch auf die Terrakottaarmee ein. Wobei die bekannte Armee nicht die einzige ist, vielleicht aber die größte. Auch kann man als Europäer auf einmal richtig bescheiden werden, wenn man sieht, wie weit voraus die chinesische Zivilisation der europäischen zeitweise war, angefangen von Metalllegierungen die wir erst kürzlich entdeckt haben über die Gestaltung von Plastiken, die schon 600 n. Chr. in etwa mit unserem Barock vergleichbar ist.

Provinzmuseum

Zum Abendessen gab es dann Maultaschen in einem Spezialitätenrestaurant. Bestimmt 10 verschiedene Sorten, die in ihren Formen dem Inhalt angepasst sind (z.B. kleine Enten).

Mit dem Essen geht es uns übrigens allen recht gut hier. Nur unser lokaler Guide hatte etwas Magenprobleme (schon vor dem Essen)