Kleine Lasterkunde

Der Laster, nicht das Laster ;-)

Ich studiere indische Lastwagen. Die sind nämlich nicht solch eintönige Werbeträger wie auf deutschen Straßen. Viele sind bunt bemalt. Auf einem sehe ich ein Paar, das den Navratri-Stocktanz tanzt. Immer wieder Dreizacks – Symbol Shivas. Warnhinweise (z.B. das der LKW nur 40 km/h fährt) sind nicht etwa in Form von Schildern angebracht sondern fest aufgemalt. Vorne oben drauf steht “Goods” und “Carriage” oder “Carrier” oder Carrige” oder “…” und manche haben einen national permit oder einige einen all india permit.

Manche Lastwagen haben eine wahrhaft überbordende Ladung, Strohballen, Auberginen, offen oder versteckt hinter Metall oder Planen.
Auch akustisch bieten die Lastwagen diverse Varianten an ein und mehrtönigen Huptönen. Fast immer steht hinten drauf “Horn ok please” (auf einem steht “Police horn ok please” – soll dann nur die Polizei hupen?) Oder “Use Dipper at night”(Dipper = Ablendschalter). Gar nicht so wenig Autos haben übrigens hinten gar keinen Blinker, fällt Elfi auf. Deswegen brauchen sie auch die Hupen.
Nur einer hat “Keep distance” hinten draufstehen. Mit dem ist wahrscheinlich nicht gut Kirschen essen.

Kein Auto ohne Glücksbringer. Seien es Chili und Zitronen, der aufgemalte Dreizack Shivas oder Ganesh, der Elefantengott, auf dem Armaturenbrett (der auch uns in unserem Jeep begleitet).

Immer wieder sieht man die Farben rot, grün und gelb – die indischen Nationalfarben.

Übrigens, die TucTucs, insbesondere die Lasten-TucTucs sind häufig ähnlich farbenfroh.

Die Kennzeichen verraten, wo ein Auto zugelassen ist. GJ steht z.B. für Gujarat, RJ für Rajasthan.

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auf indischen Straßen

Ein Lastwagen fährt an uns vorbei, die Seiten hochgeklappt, dahinter dicht gepackt stehende indische Männer. Die Landschaft ist flach. Plattes Land, nur die Vegetation passt nicht zu Ostfriesland. Zwei Zebu-Ochsen ziehen ihr Joch durch ein Rizinusfeld. Wir haben schon häufig Rinder gesehen, die ihr Joch hinter sich her ziehen, wenn sie die Straße queren. Übrigens, Kühe laufen einfach, wenn sie die Straße queren, schauen nicht, sind vertieft in ihre eigenen Gedanken und gleichgültig gegenüber dem, was um sie herum passiert. Als ob es keine Autos gäbe. Daher müssen die Fahrer noch aufmerksamer sein.
Aber auch die Leute hier verlassen sich sehr auf ihre Mitmenschen, sitzen halb auf der Straße mit dem Rücken zum Verkehr und schwatzen mit ihrem Gegenüber.
Ein Junge sitzt neben einer Wanne auf dem Mittelstreifen und wäscht sich.

Immer wieder werden wir langsamer, insbesondere an Fußgängerüberwegen (ja, es gibt hier Zebrastreifen) und an Bahnübergängen. Denn auch indische Fahrer lieben ihre Gefährte und brettern daher nicht über Schwellen in der Straße.

Die Männer sind hier weiß gekleidet, enge Hosen und ein Hemd. Und das Hemd hat unterhalb der Brust senkrechte Falten. Die Frauen tragen den Rücken frei – sieht man vom Sarischleier ab – nur ein Band hält das Vorderteil am Körper. Einmal sehen wir 15 farbenfrohe Frauen eng gedrängt auf der Ladefläche eines TucTuc-Transportes.
Auch die Haare der Männer sind farbenfroh. Um das hervorsprießende grau zu überdecken, färben sie sich das Haar mit Henna.

Ahmedabad

Der Transfer vom Flugzeug zum Terminal bei der Ankunft in Dubai dauerte eine geschlagene Viertelstunde (sag noch einmal einer FRA wäre groß). Der Flug von Dubai nach Ahmedabad dagegen war nur kurz und schon gegen acht waren wir auf indischem Boden, auf dem Rollfeld von Ahmedabad, der größten Stadt des indischen Bundesstaates Gujarat.

Vor dem Tor werden wir von unserem Fahrer Nepal und einem Vertreter der indischen Agentur erwartet.  Das Flugzeug unseres Reiseleiters hat etwas Verspätung, aber als wir am nationalen Terminal ankommen hat auch er es geschafft, anzukommen. Er heißt Ravi und ich schätze ihn auf ca. 25 Jahre.

Auf geht es, in die Stadt hinein. Gleich hinter der Flughafenausfahrt eine Herde heiliger Kühe, wie um sämtliche Klischees zu bestätigen. Und vor dem Hotel empfängt mich auch schon die erwartete Kakophonie der Huptöne. Eine Welle gelbgrüner TucTucs brandet unaufhörlich durch die Straßen, nur gelegentlich durchbrochen von einem ausscherenden Motorradfahrer. Es riecht nach Zweitaktern.

Heute bekomme ich meinen ersten hinduistischen Tempel von nahem zu sehen. Den Swami Narajan Tempel. Was für eine Farbenpracht in Pastell. Die Figuren auf den Säulen sind bunt bemalt. Und indische Götter haben nicht nur menschliche Hautfarbe. Shiva zum Beispiel ist blau.
Auch wenn Ravi bestreitet, daß es eine strikte Trennung zwischen Frauen und Männern gibt: Vorne vor dem abgetrennten Bereich des Heiligtums stehen nur Männer. Und hinten unter dem offenen Tempeldach knien die Frauen. Aber in ihr Gebet vertieft sind offensichtlich alle.

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Die Steine unter unseren Füssen werden immer heißer. In der Sedhi Said Moschee muss man sich schnell von Schattenfleck zu Schattenfleck bewegen, mit den bloßen oder bestrumpften Füssen. Diese Freitagsmoschee ist eine sehr indisch wirkenden Moschee, deren Säulendach sich nach außen öffnet. Wenn wirklich viele Gläubige zugegen sind, können sie den ganzen Hof füllen und da passen ein paar tausend Leute hinein.
Als wir dort sind, betet dort aber niemand. Nur eine Familie mit Kindern sitzt unter den Bogengängen.

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Über der Altstadt von Ahmedabad kreisen Adler. Behauptet zumindest unser Reiseleiter steif und fest. Ich kann das fast nicht glauben. Aber für Falken sind diese Raubvögel doch etwas groß. Da oben in der Luft haben sie Platz, hier unten dagegen drängen wir uns durch die fahrenden TucTuc-Schlangen und zwischen Straßenständen und Geschäften durch. Obst,  Gemüse, Blumengirlanden, Flitter für das Navratri-Fest zur Ehren der Kriegsgöttin Durga, das derzeit gefeiert wird. Häuser mit durchbrochenen Holzfassaden und ein Müller, der sein Mehl in einem offenen Laden an der Straße mahlt.

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Auf dem Weg zum Mittagessen nehmen wir ein TucTuc und erleben den Verkehr nun wirklich hautnah. Bis auf wenige Zentimeter wird auf den Vordermann aufgefahren, egal ob Auto, ein anderes TucTuc, Motorradfahrer, Radfahrer oder Fußgänger. In elegantem Bogen schrammt man so gerade noch an seinem Nachbarn vorbei. Einen Anschnallgurt hat niemand.
Aber irgendwie geht alles immer gut.

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Dann versuchen wir uns am Calicio-Museum. Vor dem Auto am Parkplatz sitzt ein junges Ehepaar (das sie verheiratet sind, sind man am roten Scheitel der jungen Frau) und kocht. Die beiden haben dort offensichtlich ihre Wohnung. Sie fegt sorgfältig den Bürgersteig, an einem Baum gelehnt haben sie einen kleinen blumengeschmückten Alter aufgebaut Im Vorbeigehen lächelt sie uns zu.
Arm, das ja, aber elend, ich glaube nicht.

Im Calico-Museum haben wir unsere erste Begegnung mit der indischen Bürokratie. Man muss sich nämlich zu Beginn erst mal mit voller Adresse in das Museumsbuch eintragen und bis das alle 20 getan haben dauert es etwas. Das Calico-Museum hat sehr schöne Wandbehänge, aber um sie verstehen zu können, um zu wissen, worum es darauf geht, muss man die Geschichte(n) des Hinduismus kennen und die kenne ich bisher nur rudimentär. Selber durch die Räume gehen darf man nicht. Wir entschließen uns, abzubrechen. Und müssen dem Mann am Ausgang dann auch noch eine schriftliche Begründung liefern.

Letztes Ziel des Tages ist der Sabarmati-Ashram. Hier hat Gandhi mit seinen Gefolgsleuten in den dreißiger Jahren gewohnt. Von dort startete er seinen Salzmarsch. Heute ist dort eine Ausstellung über sein Leben und seine Weggefährten. Vieles erinnert an den Gandhi-Film damals Ende der 80er, der mich damals sehr bewegt und auch geprägt hat.
In einem Teil des Ashrams werden heute Kinder spielerisch in die Lehren Gandhis eingeführt. Gandhis Lehre soll nicht verloren gehen. Inwiefern sie heute noch Indien prägt, vielleicht werde ich auf meiner Reise mehr erfahren.
Gandhi-Statue im Sabarmati-Ashram im Ahmedabad