Zwischen Asien und Europa

Abreisetag.

Die Zeit ist wieder einmal wie im Flug vergangen. Aber ich habe noch Zeit, bis heute Abend um fünf und ich finde das herrlich. Und daher habe ich eine Bosporusfahrt gebucht. Ich stehe um Viertel vor Sieben auf, packe die letzten Sachen und bin inklusive Frühstück und Checkout rechtzeitig um halb neun unten in der Lobby.

Diesmal gibt es wirklich eine Fahrt, der Bus hält vor der Tür, macht noch einen kurzen Zwischenstop zwischen Yeni-Moschee und ägyptischem Basar (was mir die Möglichkeit für die folgenden beiden Photos bietet)


und fährt dann über die Galata-Brücke hinüber zum Anleger, wo wir uns einschiffen. Es ist kühl und ich bin froh um meinen Windbreaker.  In aller Ruhe schippern wir zwischen Asien und Europa herum, unter den Bosporusbrücken durch, vorbei am Dolmabahce-Palast und einem Fünf-Sterne-Hotel, an Moscheen und einer Burg und an vielen Holzvillen auf dem gegenüberliegenden Ufer. Bis zurück ins goldene Horn. Einfach mal mitfahren!

Als einzige Teilnehmerin der Halbtagstour (in sofern fast wieder eine Solotour, aber eben nicht alleine) verlasse ich dann den Bus vor dem nächsten Teppichgeschäft in das die anderen hinein geschleust werden und suche mir stattdessen ein nettes Restaurant im Schatten. Erst um zwei muss ich im Hotel sein.

Nein, nicht für den Abflug, jetzt geht es zu meinem letzten türkischen Abtenteuer. Ich hatte Oya, die Dame am Frühstücksbüffet angesprochen, ob sie mir einen Frisör empfehlen kann und sie meinte „Ok, kommen Sie doch einfach mit, ich bringen Sie zu Meinem, wenn ich Mittags Schluss mache“. Ich ging mit ihr zusammen Richtung großem Basar, aber schon gegenüber einer Moschee bogen wir links ab und folgten der Straße hinunter bis zum Ende. Sie zeigte kurz auf das Fenster einer Erdgeschosswohnung „Da wohne ich“, bevor sie schräg gegenüber zu einem Frisör im Souterrain ging, ich hinterher. Sie übersetzte meine Wünsche, Mustafa, mein vielleicht 19jähriger Frisör meinte er könnte nur „just a little bit“ Englisch und zeigte mit den Fingern wie wenig. Und dann nahm er sich meine Haare vor. Ich muss sagen, mit dem Ergebnis bin ich zufrieden.

Oya lud mich anschließend noch zu sich in ihre Wohnung ein und wir schwatzten bis bald um vier und tranken Tee und Wasser mit Zitrone. Oya dürfte in etwa in meinem Alter sein, vielleicht ein bisschen jünger. Sie hat lange Jahre in ihrer Kindheit und Jugend in der Schweiz gelebt und hat einen astreinen schweizerischen Akzent. Dann ist sie mit ihrer Mutter zurückgekehrt nach Istanbul. Ihre Familie ist über ganz Europa verstreut. Mittlerweile ist Oya verheiratet und lebt mit ihrem Mann, einem Wellensittich und ein paar Fischen in der kleinen Wohnung in Sultanahmet. Die Katze ist letzte Woche fortgelaufen.
Oya erzählt davon, dass sie manchmal nicht weiß, ob sie sich als Schweizerin oder als Türkin fühlen soll, denn sie erinnert sich gerne an die Zeit in der Schweiz zurück. Hier in Sultanahmet hat sie auch schon für einen Teppichhändler gearbeitet (der uns auf dem Hinweg prompt abfing, aber ich mußte ja zum Frisör :-)). Jetzt, im Hotel gefällt es ihr besser. Derzeit macht sie einen Computerkurs.
Oya hat auch schon in anderen Teilen Istanbuls gewohnt und sagt, jedes sei deutlich anders. Hier, wo sie jetzt wohnt, sind die Leute recht konservativ und die Frauen in der Moschee meinen, sie solle doch einmal ein Kopftuch probieren, aber Oya wüsste nicht warum.
In Ermangelung eines Gastgeschenks machte ich ein Porträt von ihr, dass ich ihr zusammen mit einem kleinen Reisebericht in Fotoform zuschicken werde.

Um vier laufe ich zurück Richtung Hotel. Der Portier hat auf meinen Koffer und auf meinen Rucksack aufgepasst und ich hole sie aus ihrer Ecke hervor. Zeit, die letzten Karten zu adressieren. Er nimmt sie mir ab und verspricht sie zu verschicken. Dann warte ich auf meinen Transfer. Es ist fünf. OK, so ganz pünktlich muss er ja nicht sein. Es ist viertel nach fünf. Der Portier meint, ob er mal beim Transportunternehmen anrufen soll. Die Visitenkarte hatte ich mal wieder im Vertrauen auf die Menschheit schon im Koffer vertauscht. Zum Glück weiß ich wo. Um kurz nach halb steht dann doch ein Fahrer vor der Hoteltür. Und es wird knapp. Dicker Stau auf den Autobahnen – Freitagnachmittag in Istanbul. Dann eine endlose Schlange am Check-In-Schalter von Turkish Airlines. Mein Schutzengel legt anscheinend gerade einen Zahn zu, denn auf einmal werden weitere Schalter aufgemacht. Ich habe noch einen viertel Stunde bis zum Abflug. Die Schlange vor dem Passschalter ist mindestens genauso lang. Auch dort werden auf einmal weitere Schalter aufgemacht. Und ich schaffe es auf die Minute durch die endlosen Gänge zu meinem Flugzeug am letzten Gate anzukommen.

Wir fliegen in den Sonnenuntergang. Der Mond geht unter mir auf.

Frankfurt, schön wieder da zu sein.

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