Die Vorstellung ist eröffnet oder ein indischer Schulausflug

“May I bring the tea to your tent?” Der Kellner fragt vorsichtig, ob wir bereit wären, unseren Tee im Zelt zu uns zu nehmen. Nein, ich bin nicht plötzlich hochadelig geworden, aber unser Platz wird gebraucht. Vorne drängeln wir uns durch eine lange Schlange, die vor dem Buffet ansteht.

Vor unserer Zeltterasse wird kurz darauf die Vorstellung eröffnet. Das Publikum sind wir. Die Bühne sind die Zelte rund um uns herum. Ein buntes Schauspiel beginnt. Ca. 75 Schüler und Schülerinnen ca. 10. Klasse nehmen das Safaricamp für sich in Besitz. Schleifen ihre Koffer hinter sich her durch den Muschelsand, suchen nach ihren Zelten und schauen sich um. “Welcome to India” wird uns auf unserer Zeltterasse immer wieder zugerufen. Ein Schulausflug in Indien.

Die Kinder kommen aus Mumbai. Sie sind bis Junagadh mit dem Zug gefahren und werden von dort in drei Tagen auch wieder nach Mumbai zurückkehren.

Wenn ich Gujarati verstehen könnte, bestimmt wäre jedes zweite Wort “Löwe”. Oder “Leopard”. Aufregend :-)

Aber ihre erste Safari haben die Schüler erst morgen vor sich. Heute abend wird es dagegen afrikanisch. Der hiesige Maharadscha hat nämlich im 18. Jahrhundert aus Afrika Sklaven in diese Gegend gebracht. Man sieht es den Menschen heute noch an, von wem sie abstammen, dunkle Haut, afrikanische Gesichtszüge, aber indisch grazile Bewegungen, die ein bisschen überraschen. Diese Leute sind Muslime und haben außerdem ihre afrikanischen Traditionen bewahrt. Für die Schüler führen sie heute Abend Tänze vor. Und haben nach einiger Zeit eine tanzende springende Menge Schüler um sich herum. Wir drei weißen Frauen halten Abstand, weil wir uns das Schauspiel ersparen wollen, nach vorne geholt zu werden. Wie gesagt, heute sind wir Publikum, muss auch mal sein.

Die Kinder gehören bestimmt nicht zur ärmeren Schicht Indiens. Was man an den Handys merkt, kaum ein Kind hat keines dabei. Und an dem Anteil übergewichtiger Jungs und Mädchen. Zivilisationskrankheiten halten anscheinend auch in Indien Einzug.
Mal schauen, wie viele von Ihnen irgendwann einmal quasi meine Kollegen werden und Software erstellen.

Immerhin, trotz der kindlichen Redseligkeit ist ab ca. 11 Uhr Ruhe im Zeltlager und wir haben eine weitere angenehm temperierte Nacht.

Sasan Gir am Abend

Was für eine Begrüßung. Wir sind offensichtlich die ersten Besucher des Parks in dieser Saison und werden erwartet mit geeisten Tüchern und einem Blumenregen.

Direkt vor dem Camp ist der Fluss. Jetzt nach dem Monsun könnte es hier auch Krokodile geben, meinen zumindest die Leute am Empfang vom Camp.
Und viele Vögel.
Hinter uns, ein paar dutzend Meter den Fluss hinunter ist der Schlafbaum der Kuhreiher. Immer mehr fliegen heran. Der Baum ist vor weißen Punkten kaum noch zu erkennen.
Über uns fliegen die Libellen tief. Auf einmal zieht über uns ein riesiger Schwarm Schwalben.
Die Graureiher verstecken sich in der Dämmerung im hohen Riedgras.

[zenphotopress album=330 sort=sort_order number=30]

Über das europäische Essen im Camprestaurant schweige ich wohl besser. Da versuchte jemand, europäisch zu kochen.

Wie in Mandvi übernachten wir in Safarizelten mit angebautem Badezimmer und Klimaanlage. Diese Nacht ist die erste seit langem, in der die Temperaturen auf ein angenehmes Maß zurückgehen. Das erste Mal seit langem ziehe ich unter meinem Moskitonetz wieder das Laken bis über die Schulter.