Ich wachte verschwitzt und mit leichten Rückenschmerzen auf. Eine Decke hätte wohl doch gereicht. Kathrin fühlt sich immer noch wie bei einer kommenden Erkältung.
Aber die Nacht war viel angenehmer als die vorhergehende. Die Drake Passage meinte es wirklich gut mit uns.
Irgendwann am frühen Morgen hatten wir den sechzigsten südlichen Breitengrad überfahren. Dort beginnt das Gebiet des Antarktisvertrages. Dieser Vertrag stellt sicher, dass im zugehörigen Gebiet weder Bodenschätze ausgebeutet noch Tiere gefangen werden dürfen. Durch diesen Vertrag ruhen außerdem die Gebietsansprüche vieler Länder auf die Antarktis. Es beeindruckt mich und macht mir Hoffnung, dass sich die Länder der Welt bei all ihren Streitigkeiten auf so etwas einigen können.
Ebenfalls an diesem Morgen hatten wir die antarktische Konvergenz überfahren – die Trennlinie zwischen Atlantik bzw. Pazifik und dem antarktischen Ozean. Hier ist das Wasser viel kälter und auch die Temperaturen waren spürbar näher am Gefrierpunkt. Ein Blick nach draußen bestätigte das. Schnee und Nebel beschränkten die Sicht. Dafür begleiteten jetzt viel mehr Vögel als Gestern das Schiff (u. a. Cape Petrel und Giant Petrels).
Die anderen sahen auch immer wieder springende Pinguine, aber auf dem Auge war ich irgendwie blind.
Weil es so gut passte, hielt Arjen am Vormittag einen Vortrag über Seevögel.
Nach einer kurzen Pause erklärte uns Monika noch wie man in einen Zodiac steigt und wie man sich im „Pinguinland“ verhalten sollte. Denn die Pinguine sind die eigentlichen Bewohner dieser Gegend, die Menschen sind nur Gäste. Also sollte man die Strassen der Pinguine – im Schnee mühsam niedergetreten von vielen kleinen Füßen – nicht durch Stiefellöcher zerstören. Auch sollte man Abstand halten. Pinguine sind neugierig genug und kommen schon von selber näher. Ach ja, und Seeleoparden (aber auch harmlosere Robben) sind nicht zum streicheln da.
Nach dem Mittagessen stand ich alleine draußen an Deck neben dem Ausgang und sah (!!!) den ersten Eisberg. Natürlich klopfte ich sofort am Bullauge der Bar. Als der erste (Lak) rauskommt, schwappt eine Riesenwelle eiskalten Meereswassers über die Reling und Schuhe und Hose. Brrr. Immerhin konnte ich noch ein Foto schießen.
Bis ich mich umgezogen hatte war der Eisberg wieder weg. Aber nach und nach tauchten weitere Eisberge aus dem Grau des Nebels auf und schließlich die ersten Felsen: South Shetland Islands.Die Mikheev fuhr in den English Channel hinein, zwischen Robert Island und Greenwich Island.
Wir hatten die Drake Passage so schnell hinter uns gebracht, dass keine Zeit mehr blieb für Monikas Vortrag über Eis. Denn um halb Fünf bestiegen wir die Zodiacs für den ersten Landgang – oder so dachten wir. Ich war im zweiten Zodiac und im letzten, das rausging. Wir gingen aber nicht an Land (Robert Point), denn das Wasser war viel zu tief und die Brandung am Strand viel zu heftig. So sahen wir nur vom Boot aus am Ufer unsere ersten Eselspinguinen und Crabeater.
Da das Wetter nicht sehr stabil aussah wurden wir fast sofort wieder vom Kapitän zur Mikheev zurückgerufen.
Aber wir bekamen eine zweite Chance für einen Landgang:
Das Abendessen wurde vorgezogen und wir fuhren währenddessen ein Stückchen zurück nach Greenwich Island. Dort befindet sich die zur Zeit verlassene chilenische Station „Arturo Pratt“ in einer ruhigen Bucht und hier konnten wirklich alle an Land gefahren werden..
Ich – uups – vergaß die Rettungsweste. Aber scheint’s merkte es keiner.
So setze ich meinen Fuß zum ersten Mal auf antarktische Inselerde, an 62,29 Grad südlicher Breite und 59,40 Grad westlicher Länge.
Die Sonne schien!
Und wir sahen unsere ersten Eselspinguine. Da alle sich darauf stürzten folgte ich dem Strand in die andere Richtung und wurde mit Crabeater-Robben aus nächster Nähe belohnt. Skuas brüteten auf ein paar Steinen mitten im Schnee, so dass ich sie großzügig umgehen musste, um zu einem Kreuz mit Gedenksteinen und Walknochen zu gelangen. Nicht weit davon putzte ein Pärchen Zügelpinguine das Gefieder.
Die Krönung des Abends: zum Dessert gab es dann Buckelwale. Darauf hatte ich mein Leben lang gewartet. Und weil wir vorher gewettet hatten, ob wir zuerst Orcas oder Buckelwale sehen würden, gab mir Kathrin einen Kaffee aus.
Den Buckelwal gab es auch einmal kurz mit Blick auf den Unterkiefer. Ich meine, wir haben sogar die Zunge gesehen.Die Bucht in der wir Abends lagen, war absolut still. Sogar der Motor war aus. Die Stille reflektierte vom umgebenden Eis. Die Sonne ging orange und golden hinter der Insel unter. Der Gipfel der Insel blieb jedoch die ganze Zeit im Nebel. Dass eine Ende der Insel sah aus wie eine riesige Wolke.
Wenn das Wetter in den nächsten Tage so bleiben würde, das würde traumhaft schön.