Ich hatte ein Fotowochenende im Allwetterzoo Münster gebucht, bei Hans-Peter Schaub, dem Redakteur von Naturfoto, zum Aufwärmen von Kindheits- und Studienzeiterinnerungen und für ganz viel Zeit mit ganz vielen Tieren.
Es hätte ein bisschen kühler sein können, definitiv, aber ich habe das Wochenende trotzdem genossen.
Kommt mit auf einen – ok – größeren Spaziergang!
Das netteste Erlebnis hatte ich übrigens mit dem Zwergseidenäffchen. Ich hatte mich vor der Hitze ins Affenhaus geflüchtet. Vorne, direkt hinter der Scheibe im Zwergseidenäffchengehege steht ein Baumstamm. Ich fotografiere so vor mich hin, als eines der Äffchen näher rückt und sich auf den Baumstamm setzt. Und mich genau beobachtet. Wenn ich etwas vor die Scheibe hielt (meine CF-Karte, ich hatte nichts besseres), folgte es genau mit den Augen. Ein sehr intelligenter und aufmerksamer Blick. Von Zootieren beobachtet sozusagen. Faszinierend. Ich frage mich, was es gemacht hätte, wenn jemand die Scheibe weggenommen hätte
Berat war, wie Girokaster, während der Zeit des Kommunismus Museumsstadt. Sie soll die Stadt mit der ältesten geschlossenen Bebauung Albaniens sein. Die Stadt teilt sich grob in drei Teile – eine Festung mit einem innerhalb der Mauern heute noch bewohnten christlichen Viertel, ein muslimisches Viertel unterhalb der Festung und ein weiteres, christliches Viertel auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses.
Unser Hotel liegt recht nah am Flußufer am Rande des muslimischen Viertels, das wir auf dem Weg hinauf zur Festung durchquerten. Ein Mann steht vor einem der Bars und tauscht sich mit ein paar Leuten an den Tischen über die Qualität der lebenden Gänse aus, die kopfüber an seinem Arm hängen und wohl für den Mittagstisch gedacht sind. Und amüsierte sich ziemlich, das ich ein Foto machen möchte. Er bietet mir die Gänse anschließend zum Kauf an, sieht aber dann doch ein, das meine Tasche zum Mitnehmen zu klein ist.
Anmerkung: Ich bin mir nicht ganz im klaren, wie bei uns so etwas Tierschützer sehen, aber dort ist es einfach Teil des Alltags auch für Privatleute, lebende Tiere zu kaufen, zu schlachten und zu verarbeiten. Tiere sind eher Waren als Wesen.
Im Hofe der Sultan-Moschee liegt gleich noch eine Moschee – die Helveti-Moschee (ob das was mit der Schweiz zu tun hat, habe ich noch nicht herausgefunden). Drei Frauen sitzen mit ihren Kindern auf der Treppe und versuchen gerade eine Flasche Orangensaft auf zu bekommen. Da kommt Jutta mit ihrem 17-er-Schlüssel sehr gelegen. Der Moscheewächter lässt uns ein und wir bewundern die geschnitzte Decke und die Bleiverglasung der Fenster. Und wundern uns über den Tischkreis, der in der Moschee steht. Offensichtlich ist sie nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zweck in Benutzung. Im Gegensatz zur Sultansmoschee, die mit Teppich ausgelegt von einem blinden Mann bewacht wird, der unseren Begleiter erst einmal ausfragte, wo denn die Touristen her sein (Germania, gesprochen „Dschermanja“). Wir ziehen unsere Sandalen aus und laufen auf bloßen Füßen über den dicken Teppich und bewunderten die Frauenempore mit ihrem feinmaschigen Gitterwerk von unten und den geschnitzten Predigtstuhl (wie nennt man das eigentlich muslimisch?).
Ein paar Meter den Berg hinauf, gegenüber dem Sultanstor gibt es einen kleinen Antiquitätenladen mit kleinen – leider nicht ganz billigen – Schätzen, wunderbar zum Stöbern: Trachten, uralte Bügeleisen, alte Fotoapparate und kleine Ikonen.
Noch ein Stückchen weiter oben in einer Seitengasse liegt das ethnografische Museum, das ein albanisches Haus aus dem neunzehnten Jahrhundert zeigt. Die Bänke sind mit dicken roten Schaffellen ausgelegt, der Boden mit Teppichen. die Küche ausgestattet mit vielerlei Geschirr aus der damaligen Zeit, das ausreicht große Familien zu bekochen. Es gibt ein Sprichwort, dass sagt in einem albanischen Haus sei zuerst Gott und der Gast zuhause, erst danach kommen die Bewohner. So gab es ein großes Gästezimmer um einen Kamin herum.
Nur die Frauen hatten zur damaligen Zeit in den Gästezimmern nichts zu suchen, sie hatten eine kleine Kammer zwischen Wohn- und Gästeraum.
Unsere Führerin im ethnografischen Museum spricht recht passabel deutsch und wir erzählen ihr, was wir schon alles gesehen hatten, in Berat und sonst in Albanien. Sie schenkte jeder von uns zum Abschied eine duftende Nelke.
Der Weg hinauf zur Festung zieht sich. Wir retten uns von Schattenfleck zu schmalem Schattenfleck auf der bestimmt mindestens zehnprozentigen Steigung. Es ist heiß, so richtig heiß.
Es dauert ewig und als ich dann endlich durchs Burgtor bin brauche ich erst einmal eine halbe Stunde und bald einen ganzen Liter Wasser zur Regeneration. Und lasse dann auch noch meine nagelneue Kamera aufs Kopfsteinpflaster fallen. Glücklicherweise ist nur der Bildschirm unten links leicht verfälscht. Damit kann ich leben.
Oben in den Festungsmauern gibt es ein Museum des albanischen Ikonenmalers Onufri mit einer vollständig erhaltenen Ikononostase sowie wirklichen Schmuckstücken von Ikonen (die man natürlich nicht fotografieren darf, mal schauen, ob ich sie irgendwo im Internet finde). Angenehm kühl und schattig ist es im Museum, draußen in den Gassen brennt auch gleich wieder die Sonne. Die beiden Kirchen hinter dem Museum sind in der Mittagszeit verschlossen und wir fragen bei den Leuten mit Händen und Füßen und Jutta’s Italienisch nach, wo der Schlüssel ist. Eine alte Frau schaut aus einem Hauseingang und ich frage, ob ich ein Foto machen dürfe und der Nachbar hilft ihr beim Aufschreiben der Adresse und ich verspreche, ihr ein Bild zu schicken (und das werde ich auch machen).
Als Dank schließt der Nachbar dann zwar keine der beiden alten Kirchen hinter dem Museum auf, aber eine neue Kirche, die noch in Benutzung ist. Eine sehr schlichte, kaum verzierte Ikonostase mit neuen Bildern, irgendwie besser passend zu den Leuten, die heutzutage zwischen den Festungsmauern wohnen. Und in ihrer Schlichtheit irgendwie ansprechend.
Ronnio ist vierzehn und der Sohn des Besitzers eines Restaurants in der Nähe des Festungstores. Sein Schulweg führt ihn Tag für Tag den Burgberg hinunter und in der Mittagssonne wieder hinauf. Er geht in die neunte Klasse und möchte einmal Ingenieur werden. Auch wenn er Mathematik wohl nicht so wirklich mag und etwas ehrfürchtig schaut, als ich ihm sage, das ich dieses Fach sogar studiert habe. Sein Vater hat definitiv etwas für Mathematikerinnen über: als Ronnio ihm übersetzt, das ich außerdem beruflich mit Computern arbeite, werde ich beim Weggehen mit heftigem Händeschütteln verabschiedet.
Die Albaner sind übrigens sehr deutschfreundlich. Ständig werden wir zum Sieg der deutschen Mannschaft am Vorabend beglückwünscht.
Vor dem Abendessen werfen wir noch einen Blick von der Brücke auf das moslemische und christliche Viertel.
Eine ganze Reihe Leute trifft sich dann mehr oder weniger zufällig zum Abendessen gegenüber meinem morgendlichen Antiquitätenladen zu Abend. Dieter kennt den Besitzer noch von seiner ersten Reise im vergangenen Jahr und der Abend endet in einem großen Kreis mit dem Restaurantbesitzer und seinem englisch sprechenden Sohn. Sie fragen auch, was man in Deutschland so von Albanien erzählt und wir berichteten, wie es nun mal ist: „Bad things“, das Albanien und der Kosovo häufig gleichgesetzt wird, das viele an Mafia und Diebe denken.
Was für ein falscher Eindruck bei uns doch vorherrscht. Ich habe gegenüber Albanern nie das Gefühl gehabt, das mir irgend jemand übel nimmt, das ich mehr habe, als die Leute dort vor Ort, das ich betrogen werde oder in Gefahr bin bestohlen zu werden. Immer war das dieses Interesse an der Person auch von der anderen Seite. Und das die Hotels teilweise noch nicht einmal wissen, was ein Safe ist, spricht auch für sich.
Einer stellte die Frage, ob sich Albanien irgendwann mit dem Kosovo vereinigen wird. Unsere beiden Gastgeber halten dies aber für deutlich unwahrscheinlich. Man merkt aber auch, das ihnen die politischen Themen nicht so liegen, sie ziehen sich dann aus dem Gespräch zurück.