Die Tür zur Baustelle auf der Hotelterasse ist offen und nutze ich meine Chance um noch einmal hinaus um die Aussicht zu genießen.
Das Frühstück im Hotel ist – nach allem, was ich im Reiseführer gelesen habe – typisch: Feta, Gurken, Tomaten, Oliven, Kuchen. Außerdem Baguette und Marmelade. Marmelade und salzige Butter finde ich trotz meiner vielen Reisen immer noch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Aber immer noch besser als Oliven zum Frühstück. Neben Orangensaft gab es natürlich auch türkischen Tee. Dazu nimmt man sich den stark aufgebrühten Tee und verdünnt ihm mit heißem Wasser.
Für heute hatte ich bei Expedia eine ganztägige Stadtrundfahrt gebucht. Ich hatte mir gedacht, ich mache erst einmal den "Überflug", dann weiß ich wo alles ist und kann mir Einzelheiten die nächsten Tage noch in Ruhe anschauen.
Um neun warte ich in der Lobby und werde dort zu Fuß abgeholt. Es geht hinauf Richtung Hagia Sophia. Erst hatte ich gedacht, ich würde zum Bus gebracht. Aber nein, ich habe wieder Erwarten eine Solo-Tour. Und zwar zu Fuß. Anscheinend ist Dienstags – der Topkapi hat geschlossen – nicht so viel los in Istanbul. Und die Haupt-Sehenswürdigkeiten liegen alle eng beieinander, so dass sich ein Bus zumindest hier im alten Teil nicht lohnen würde.
So schaute ich mir erst mal meinen Guide ein bisschen näher an. Akif, klein, vollschlank, mit Hochwasserhosen und einer – wie er sagt – abklingenden Erkältung. Im Verlauf des Vormittags erzählte er, er komme eigentlich aus Antalya und dies sei seine erste Woche als Guide in Istanbul. Immerhin hatte er seinen Text schon drauf, wenn auch Nachfragen nach einzelnen Ereignissen, über die ich im Reiseführer gelesen hatte, nicht viel bringen.
Wir besuchen zuerst die Hagia Sophia. Dieses Gotteshaus – heute Museum – hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Erbaut im sechsten Jahrhundert war sie z.B. Krönungskirche der byzantinischen Kaiser. Nach der Eroberung von Konstantinopel (wie Istanbul zur damaligen Zeit hieß) im fünfzehnten Jahrhundert durch die muslimischen Osmanen wurde die Kirche zur Moschee. Unter dem Staatsgründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk wurde sie schließlich zum Museum. Mehr dazu in wikipedia.
Heutzutage – im Museum – sind christliche Mosaike wieder freigelegt und stehen gleichberechtigt neben den muslimischen Teilen. Mein Blick wanderte automatisch nach oben zu den prächtigen Fresken und Mosaiken.
Wir machen einen kurzen Abstecher in das Museum für türkische und islamische Kunst. Mit Ausstellungen über prachtvoll ausgeschmückte Schriftstücke und Teppiche und auch einer kleinen Abteilung über Wohnstile. Akif fasst die historischen Teppiche an. Hmm, als Guide sollte er das ja wohl besser wissen. Ich überlege schon, was ich tun soll, falls er aus dem Museum gewiesen wird. Aber zum Glück reichte ein Hinweis des Museumswärters und er lässt es.
Am interessantesten finde ich eine Fotoausstellung über türkische Nomaden. Akif meint, auch in der Gegenwart gäbe es noch Leute, die so leben würden. Er erzählt, seine Großmutter hätte selbst noch so gelebt, er hätte Kindheitserinnerungen. Er würde sich so ein schönes, einfaches Leben zurückwünschen. Ich glaube, er vergisst dabei, wie hart dieses Leben sein muss.
Warum die blaue Moschee "blaue Moschee" genannt wird, wird klar, wenn man sich die Fliesen im Innenraum ansieht. Offiziell heißt sie aber Sultan-Ahmed-Moschee nach ihrem Auftraggeber (und, wie heißt das Viertel, in dem sie liegt …, na, kommt ihr drauf?). Die blaue Moschee ist die Hauptmoschee Istanbuls und hat eine Besonderheit, die für ein bisschen Unruhe im Islam gesorgt hat: sie hat sechs Minarette. Denn: Früher hatte auch die Hauptmoschee in Mekka sechs Minarette. Und als die blaue Moschee ebenfalls sechs Minarette bekam, mußte in Mekka ein weiteres Minarett hinzugefügt werden.
Als wir an der Moschee ankommen, ist gerade Gebetszeit und wir müssen am Touristeneingang warten. Ich nutze die Zeit, mir die Bogengänge anzuschauen. Zurück am Eingang heißt es, Schuhe ausziehen. Jeder bekommt eine Plastiktüte, in die die Schuhe verpackt werden. Die Schuhe trägt man dann mit sich herum, bis man die Moschee wieder verlässt (und die Plastiktüte für jemand anderes zurückläßt). Aus Israel und Albanien kannte ich das ein bisschen anders, da ließ man die Schuhe einfach am Eingang zurück, sich darauf verlassend, das die schon nicht geklaut werden. Bisher hatte das immer geklappt.
Ja, bei einem Moscheebesuch trägt frau Kopftuch – so auch ich, ich hatte mir extra meinen schönsten Schal dafür mitgenommen.
Das "typische Kebap-Restaurant" laut Tourbeschreibung war ein Touristenlokal mit langen Tischen und Bänken. Aber das Mittagessen war ganz OK. Akif redete über den Stolz, einen Touristenführerausweis zu haben. Der Ausweis sei so wichtig, und vor allem sei dann so viel umsonst … .
Vom Besuch bei einem Teppichhändler war in der Tourbeschreibung nicht die Rede gewesen. Lust hatte ich schon gar nicht drauf, aber Akif läßt sich nicht davon abbringen, und da der Besuch der Zisterne – statt des Topkapi-Palastes – laut Tourbeschreibung Dienstags auf dem Programm steht, folge ich meinem Guide widerwillig. Dann stelle ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich auch hier eine Solo-Vorführung bekommen soll. Nach fünf Minute breche ich das unschöne Spiel ab, ich bin einfach nicht in der Lage, Kaufinteresse zu heucheln, dafür gehe ich auch sonst viel zu ungern einkaufen.
Zu allem Überfluss steht dann auch noch der Leiter von Uptown Travels vor der Tür und teilt mir mit, dass die Tour ja nun beendet sei, weil ich alles gesehen hätte. "Und was ist mit der Zisterne?" "Dafür haben Sie ja das islamische Museum gesehen". Diskutieren hilft nichts und ich habe nach dem gerade Erlebten auch keine große Lust dazu. Auf die angebotene Begleitung von Akif zum Hotel und auf ein Trinkgeld für ihn habe ich dann verzichtet. Als Abschiedsgeschenk nahm ich Akifs Erkältung mit in die nächsten Tage. "Vielen Dank".
Ich laufe weiter, durch das mediterrane Viertel, das ich am Vortag schon aus dem Bus gesehen habe, entlang des Bosporus und durch den Gülhane-Park zurück zum Hotel.
Um 17 Uhr bin ich wieder draußen, in der Altstadt, als die Muezzine zum Gebet rufen. Von allen Seiten hört man sie. Jeder übertönt den anderen. Jeder ist gerade an einer anderen Stelle des Gesangs. Ein harmonisch disharmonischer Klangteppich, der sich, dort, wo man viele hört, fasst wie das Schwingen einer Glocke anhört.
Ich laufe weiter zum ägyptischen Basar, mische mich unter die Menge und schnuppere Gewürze.
Auf der anderen Seite des ägyptischen Basars schaut man auf den Galata-Turm. Mich faszinieren die Farben dieses Viertels unter dem Turm zu den verschiedenen Tageszeiten.
Hier, wo ich den Ausblick auf den Galata-Turm habe, ist auch die Yeni-Moschee, in die ich ebenfalls einen Blick werfe. Davor auf den Treppen sind massenhaft Tauben, die Glück bringen sollen.
Und zur guten Nacht noch ein paar der heute gesammelten Händlersprüche.
"You’re breaking miy heart!" Ich drehe mich um und werfe ihm einen ironisch bedauernden Blick zu. Er grinst zurück, bevor ich lächelnd weitergehe.
"You’re not on the right way." Fast bin ich irritiert über den Ernst in der Stimme. Dann folgt aber "The right way is the way into my shop". … ach so!
"Lady, can I help you?" Keine Reaktion. Dann der Schnellkurs für den Basar: "Lady, first you say "yes", then I say "How are You" Then you …"
"Do you like fish, madam?" Nein, mag ich nicht. "Do you like meat?" Nein, ich habe keinen Hunger. "It’s fine if you only drink something". Auch das nicht. "Are you sure?" "Yes I am". Ja, ja, das ist nicht so einfach mit mir.
Abends drücke ich mir die Nase an den Gitterstäben vor der Hagia Sophia platt um die Öffnungszeiten zu erkennen. "It’s closes now, it will open again tomorrow". Ich weiß. "Where are you from? Germany?" Woher weiß der das? Ich glaube, ich muss mal an meinem Akzent arbeiten. Ich nicke. "Interessiert an Lederwaren?". Also damit "dealt" er.