Im Eis der Gletscher

Gegen viertel vor Vier kommen wir zum Liliehööckbreen. Die Bucht ist voller kleiner Eisberge und Eisschollen. Wieder ist es leicht diesig, als ob das Eis den Nebel anlockt. Wir lassen die Schollen vorbeiziehen.

Zusammen mit einer schwimmenden Bartrobbe.

Joachim kommt auf Deck und fragt, wer Lust auf eine Dingy-Tour hat. Natürlich wollen alle mit. Ich bin mit Barbara, Sabine, Yolanda und Thomas auf dem Boot. Dirk steuert. Leider sehen wir keine Robbe aus der Nähe, genießen aber die Fahrt zwischen dem Eis.

Und zum Schluss einen Blick auf die Gallionsfigur der Antigua.

Es gibt schon verrückte Leute (zumindest ein bisschen, oder, Gustel). Gustel ist wild entschlossen, noch einmal schwimmen zu gehen. Die Rettungsring wird ausgelegt und er muss warten, bis der Kapitän zurück ist. Und schwimmt tatsächlich in aller Ruhe eine kleine Runde. Und bekommt Gesellschaft von Yolanda und dann von Thomas (das mit der Gesellschaft stimmt nur im übertragenen Sinn, denn jeder schwimmt für sich alleine). Und Lore. Und dann als Überraschungsgast noch Juan.

Das letzte Dingy draußen, mit Elfi drauf, hat da echt was verpasst.

Abends nach dem Abendessen fahren wir dicht an einem Vogelfelsen vorbei, auf dem Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen nisten. Die Vögel sind nur als Punkte auf den Felsen zu erkennen. Die Belichtungsverhältnisse sind schwierig.

Der Fluch der Arktis ist gebrochen.

Wir warten auf die Flut, aber erst einmal kommt um 21 Uhr das Niedrigwasser. In die Kabine traue ich mich immer noch nicht – dieses beengende Gefühl.

Gegen Mitternacht merken wir dann, dass sich das Schiff langsam zurück neigt.

Und gegen halb Eins steht das Schiff wieder gerade :-) .
Da ruft uns Joachim hinauf, er braucht noch einmal unsere gesammelte Hilfe.
Und über den Gletschern glühen die Berggipfel kurz auf bis sie wieder im Nebel verschwinden. Ein Strahl der Hoffnung.

Wie heute mittag drücken wir den Kiel per Klüverbaum nach unten. Die Dingys mit Dirk und Svenja drücken von der Seite.
Dann laufen wir hinten hin und her. Trisch gibt mit einem Topf den Takt an.

Auf einmal ruckt es und da bewegt sich der Kiel. Das Schiff dreht langsam.

Noch einmal alle nach vorne.

Um ziemlich genau zwei Uhr lacht Kathrin übers ganze Gesicht. Wir sind frei. :-) :-) :-)

Uups, die Bierfässer, Hilfe! Die stehen mittlerweile mit den Füßen im Wasser!

Also schnell hinüber. Die ruhmreichen Retter drehen mit bester Laune noch eine Ehrenrunde im Dingy ums Schiff. Um halb drei morgens – bei hellem Tageslicht – stoßen wir an auf unsere Befreiung.

Dann verschwinden die meisten geschafft in ihrer Koje.

Fußnote:
Warum heißt dieser Eintrag "Der Fluch der Arktis"? Nun, im "Fluch der Karibik" muss es auch so eine Szene geben, wo ein Schiff durch Hin-und-Her-Laufen frei geschaukelt wird. Wird Zeit, das ich mir auch Teil 2 mal zulege.

Der Bockfjord

Gestern Abend ankerten wir im Bockfjord vor einem rostrotbraunen Berg mit Blick auf Spiegelungen im Wasser.

Am nächsten Morgen regnete es ‚mal wieder. Ich habe heute Nacht anscheinend geschnarcht, Kathrin brauchte Oropax. Seit gestern Abend merke ich eine leichte Erkältung.

So verzichte ich auf die Wanderung, obwohl sie zweigeteilt wird. Die Anderen sehen rostige Überreste. Und ein offenes Grab.

Aber der Tag beginnt ja erst. Und was für ein Tag es werden wird!

Der Monacogletscher im Liefdefjord

Bis wir los kommen ist es halb Zwölf. Aber wir haben heute doppelt Glück: als wir drei Stunden später am Monacogletscher im Liefdefjord ankommen, liegt kein anders Schiff vor Ort.

Der Gletscher kommt immer näher und es kühlt deutlich ab. Als ich vom Umziehen aus dem Schiffsbauch komme ragt eine Eiswand über uns auf, die das Schiff schrumpfen lässt. Man hört es knacken.  Der Gletscher ist großenteils weiß bis (in den Löchern) tief blau. Aber an den Rändern ist er von schmutzig braunen Striemen durchzogen.

Vögel kreischen. Ein Schwarm Eismöwen fliegt vor einer Höhle immer wieder auf und ab. Habe ich da „ein Schwarm gesagt“, dass sind hunderte oder tausende von Vögeln. Wie ein Band ziehen sie sich weit in den Fjord hinein. Jelle erzählt, die Fische bekommen in Gletschernähe einen Osmoseschock und sind daher für die Eismöwen leicht zu fangen: sozusagen Buffet. Bei Rolf liest es sich etwas anders: Unterirdische Schmelzwasserströme bringen Nährstoffe und Plankton an die Oberfläche.
Ich bin fasziniert. Mit so etwas habe ich nicht gerechnet. One of those moments in time. Zumindest für mich. Solch ein riesiger Schwarm.

Das Schiff zieht an den Möwen vorbei und gleitet weiter. Hinter der nächsten Ecke wartet ein noch viel größerer Schwarm auf uns . 
Ich bin hin und weg und habe fast Tränen in den Augen. So etwas schönes.

Wir verabschieden uns vom Fjord mit einer Runde um den bisher einzigen großen Eisberg den wir auf dieser Reise gesehen haben. In Dunkelhimmelhellbau.

Und mit einem Blick in die großen freundlichen Augen einer Bartrobbe, die da mitten auf einer Eisscholle liegt, eingerollt in ihren Pelz wie eine Wurst.

Hinter uns, wir sind schon ein gutes Stück weg, bricht ein großes Stück vom Gletscher ab.

Und zum Schluß eine Tsunami
Und zum Schluß eine Tsunami

Befreit vom Eise …

So geht es zurück in eine große eisfreie Zone. Wir werden warten müssen. Der Kapitän meint dass – so schnell wie sich die Eismassen bewegen – wir es wohl selber schaffen, hat aber vorsichtshalber schon mit einem Eisbrecher in der Nähe gesprochen.

Also essen wir erst einmal zu Abend. Bis es draußen wieder knirscht.

Joachim steht im oberen Krähennest und gibt immer wieder Rückmeldung an Steuerfrau Svenja.

Auf einmal schieben wir eine riesige Scholle vor uns her. Links erscheint eine Robbe und schaut verwundert zu.

Wir fahren zwischen den Schollen durch. Einige reiben noch einmal ihre Kanten am Schiffsrumpf und schleifen sich glatt und braun. Dann haben wir es geschafft und der Kapitän bekommt Applaus als er sich vom Krähennest abseilt.

Wehmütig schaue ich auf das langsam am Horizont verschwindende Eis, das vom ersten Sonnenstrahl seit Tagen beleuchtet wird. Keine Umrundung :-( .
Ich habe die Hoffnung, dass wir vielleicht noch andersherum bis hinunter in den Hornsund kommen. Mal schauen, was sich unsere Guides und der Kapitän als Alternative ausdenkend.
Ob des schönen Tages ist die Stimmung aber nicht allzu sehr gedrückt.

Heute gibt es keine Ankerwache. Die Rückfahrt zu unserem letzten Ankerplatz am Sorgfjord dauert bis tief in die Nacht als die meisten so wie ich schon tief und fest schlafen.