Von Zisternen und Palästen

Morgens schlafe ich bis acht. Wieder sind die guten Vorsätze über den Haufen geworfen. "Du willst doch fotografieren, bei gutem Licht, oder? Also steh vor Sonnenuntergang auf und nutze die Zeit". War wieder nichts. Ok, ich habe eine Ausrede, ich bekomme eine Erkältung, wenn auch nur ein bisschen.

Ich laufe hinauf zum Topkapi-Palast, den Weg kenne ich schon von gestern. Uups, ganz schön voll dort! Da fällt mir gerade noch rechtzeitig ein, dass mein Geld nicht mehr reicht für den Eintritt und ich nehme dies als willkommene Ausrede, morgen etwas früher wieder hier zu sein.

"Can I help you?" Der alte Mann spricht mich gegenüber der Hagia Sophia an. "Where are you from?" "Germany". "Kann ich Ihnen helfen?" "Nein, … oder doch, wo finde ich eine Wechselstube?". Und er weist mir den Weg 100 Meter weiter.

Am Eingang zur Yerebatan-Zisterne habe die Wahl: entweder 10 türkische Lira (derzeit etwa 5 EUR) oder 7 EUR auf den Tisch zu legen. Klar, was ich wähle, oder?
Heute muss irgendeine internationale Veranstaltung sein, jede Menge Leute in orangenen T-Shirts mit Länderaufdruck, die vor und nach mir die Treppe zur Zisterne herunter strömen. Die Musik unten ist kaum zu hören. Der Medusakopf, laut dem Reiseführer DIE Attraktion der Zisterne, ist so von Menschen umringt, dass ich nicht durchkomme.
Aber ich finde doch noch eine einzelne ruhige Ecke um zu fotografieren. Die angestrahlten Säulen erhellen mit ihrer Spiegelung das dunkle Wasser. Zu Dumm, dass ich mein Stativ nicht dabei habe!

Wieder zurück an der Oberfläche sehe ich vor der Hagia Sophia zum ersten Mal einen Bus von CitySightseeing, von denen ich einen Voucher habe und beschließe zu zusteigen. Wir fahren über die Galata-Brücke und die Angler winken zurück.

Zum Dolmabahce Palast soll es gehen, dass soll mein erster Halt sein. Eine Empfehlung von Herrn Döcmeci.

Der Palast war die Residenz der letzten Sultane, gebaut Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entsprechend europäischer Standards (Ich würde den Baustil Richtung Klassizismus einordnen). Sechs Sultane und ein Kalif haben zwischen 1856 und 1922 darin gewohnt. Der letzte Sultan wurde im Rahmen der Republikgründung abgesetzt, aber die religiöse Funktion des Kalifen blieb ihm erhalten. Deswegen "sechs Sultane und ein Kalif".
Man wird immer zu einer Gruppe von ca. 30 Leuten in den Palast gelassen, aber meine Gruppe vergesse ich schnell. Meine Kamera spielt Kind, streift mit ihren Fingern an den Spitzen der Vorhänge entlang, fühlt weiche Teppiche unter ihren Füßen, Möchte schmökern in den Folianten der Bibliothek und ist ganz verzaubert vom marmornen Bad des Sultans. Springt so lange hin und her, bis sie die exakt symmetrische Mitte der Fenster findet. Und blickt zwischen den Vorhängen hinaus auf den Bosporus. Vergisst für einen Moment das Repräsentative der Räume und stellt sich vor, wie es wohl war, als Kind hier zu leben. Und möchte nicht in den Harem ziehen, denn der wirkt so gar nicht wohnlich heutzutage, so große Zimmer.
Auch Mustafa Kemal Atatürk hat hier gewohnt und ist in einem der Palasträume gestorben. Das Bett trägt eine türkische Flagge. Seit seinem Tod stehen im Palast die Uhren still, erzählt Wikipedia. Ich nehme an, er war der letzte Bewohner.

Der Bus von CitySightseeing fährt nur einmal die Stunde. Also entschließe ich mich, bis zum Taksim-Platz zu laufen. Es geht steil bergauf und so komme ich das erste Mal in diesen Tagen so richtig ins schwitzen, bei sonnigen 24 Grad. Ob ich hier richtig bin? Die Straße auf dem Stadtplan endet in einer – wie sollte es anders sein – steilen Treppe. Aber die Richtung stimmt, und ein paar Minuten später erreiche ich die Hauptstraße.

Den Taksim-Platz erlebe ich als den dieselgeschwängerten zentralen Busknotenpunkt der Stadt. An der Ecke gegenüber finde ich CitySightseeing, der nächste Bus kommt in 25 Minuten und den werde ich nehmen. Ich kaufe ein Wasser, einen gebrauchten Kuli, auf dem "nemesis" steht (?!) und gehe zurück zum Busschalter. Mit einer viertel Stunde Verspätung kommt dann der Bus und ich finde oben in der zweiten Reihe einen Platz. Trotz offenem Verdeck sind Fotos wegen der vielen Bäume an den Straßen Glückssache.
Wir kommen nach Eyüp. Lauter Grabmale, wohl wegen des Fahnenträges Mohammeds, der hier begraben ist. 
Und die alte Stadtmauer von Istanbul ist wirklich sehr lang und noch recht gut erhalten.

Wir kommen auch dort vorbei, wo derzeit der Hafen des Theodosius ausgegraben wird – und den U-Bahn-Bau unter dem Bosporus verzögert. Ob man das wohl besichtigen kann?
Der Dieselduft begleitet mich vom Taksimplatz bis zurück zur Hagia Sophia.

Heute wird es eine frühe Nacht. Ich bin wieder im Restaurant vom Montag und ich bin nicht ganz schlüssig, ob das Essen so gut wie das Restaurant gemütlich ist. Ok, schlecht ist es nicht.
Dann gehe ich früh zu Bett.

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