Nomadentourismus

So schnell habe ich noch nie einen Markt aufgebaut gesehen. 6 Tücher, jede Menge Schmuck und sechs Verkäuferinnen. 2 Minuten. Dann beginnt der Handel.

Wir sind von Dasada aus zu den Mir gefahren, einem nomadisch lebenden Stamm in Gujarat. Und erleben die nicht so schöne Seite der Auswirkungen des Tourismus. Seit zwei Jahren nimmt der Tourismus hier zu und schon haben die Nomadenkinder gelernt, auf Knopfdruck zu weinen. Außerdem verkaufen sich die Frauen schlecht. 150 Rupies für eine Fusskette (weniger als 3 EUR) ist eigentlich ein Preis, der viel zu niedrig ist. Aber ich kann sie ja auch nicht beleidigen, in dem ich einfach den Preis hinaufsetze oder nicht kaufe. Und ihnen noch mehr zu viel zu niedrigen Preisen abzukaufen ist irgendwie auch keine Lösung.

Elfi versucht es wieder mit Seifenblasen. Die Kinder kapieren erst gar nicht, worum es geht, wollen einfach das Seifenblasengefäß haben, ohne zu wissen, wozu es da ist. Die Erwachsenen streiten sich um Bärbels Luftballons.

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Ich bin still geworden, überwältigt von diesem Chaos und ratlos.

@Jona oder Sybille, erlebt ihr in Maharashtra auch so etwas?

Ahmedabad

Der Transfer vom Flugzeug zum Terminal bei der Ankunft in Dubai dauerte eine geschlagene Viertelstunde (sag noch einmal einer FRA wäre groß). Der Flug von Dubai nach Ahmedabad dagegen war nur kurz und schon gegen acht waren wir auf indischem Boden, auf dem Rollfeld von Ahmedabad, der größten Stadt des indischen Bundesstaates Gujarat.

Vor dem Tor werden wir von unserem Fahrer Nepal und einem Vertreter der indischen Agentur erwartet.  Das Flugzeug unseres Reiseleiters hat etwas Verspätung, aber als wir am nationalen Terminal ankommen hat auch er es geschafft, anzukommen. Er heißt Ravi und ich schätze ihn auf ca. 25 Jahre.

Auf geht es, in die Stadt hinein. Gleich hinter der Flughafenausfahrt eine Herde heiliger Kühe, wie um sämtliche Klischees zu bestätigen. Und vor dem Hotel empfängt mich auch schon die erwartete Kakophonie der Huptöne. Eine Welle gelbgrüner TucTucs brandet unaufhörlich durch die Straßen, nur gelegentlich durchbrochen von einem ausscherenden Motorradfahrer. Es riecht nach Zweitaktern.

Heute bekomme ich meinen ersten hinduistischen Tempel von nahem zu sehen. Den Swami Narajan Tempel. Was für eine Farbenpracht in Pastell. Die Figuren auf den Säulen sind bunt bemalt. Und indische Götter haben nicht nur menschliche Hautfarbe. Shiva zum Beispiel ist blau.
Auch wenn Ravi bestreitet, daß es eine strikte Trennung zwischen Frauen und Männern gibt: Vorne vor dem abgetrennten Bereich des Heiligtums stehen nur Männer. Und hinten unter dem offenen Tempeldach knien die Frauen. Aber in ihr Gebet vertieft sind offensichtlich alle.

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Die Steine unter unseren Füssen werden immer heißer. In der Sedhi Said Moschee muss man sich schnell von Schattenfleck zu Schattenfleck bewegen, mit den bloßen oder bestrumpften Füssen. Diese Freitagsmoschee ist eine sehr indisch wirkenden Moschee, deren Säulendach sich nach außen öffnet. Wenn wirklich viele Gläubige zugegen sind, können sie den ganzen Hof füllen und da passen ein paar tausend Leute hinein.
Als wir dort sind, betet dort aber niemand. Nur eine Familie mit Kindern sitzt unter den Bogengängen.

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Über der Altstadt von Ahmedabad kreisen Adler. Behauptet zumindest unser Reiseleiter steif und fest. Ich kann das fast nicht glauben. Aber für Falken sind diese Raubvögel doch etwas groß. Da oben in der Luft haben sie Platz, hier unten dagegen drängen wir uns durch die fahrenden TucTuc-Schlangen und zwischen Straßenständen und Geschäften durch. Obst,  Gemüse, Blumengirlanden, Flitter für das Navratri-Fest zur Ehren der Kriegsgöttin Durga, das derzeit gefeiert wird. Häuser mit durchbrochenen Holzfassaden und ein Müller, der sein Mehl in einem offenen Laden an der Straße mahlt.

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Auf dem Weg zum Mittagessen nehmen wir ein TucTuc und erleben den Verkehr nun wirklich hautnah. Bis auf wenige Zentimeter wird auf den Vordermann aufgefahren, egal ob Auto, ein anderes TucTuc, Motorradfahrer, Radfahrer oder Fußgänger. In elegantem Bogen schrammt man so gerade noch an seinem Nachbarn vorbei. Einen Anschnallgurt hat niemand.
Aber irgendwie geht alles immer gut.

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Dann versuchen wir uns am Calicio-Museum. Vor dem Auto am Parkplatz sitzt ein junges Ehepaar (das sie verheiratet sind, sind man am roten Scheitel der jungen Frau) und kocht. Die beiden haben dort offensichtlich ihre Wohnung. Sie fegt sorgfältig den Bürgersteig, an einem Baum gelehnt haben sie einen kleinen blumengeschmückten Alter aufgebaut Im Vorbeigehen lächelt sie uns zu.
Arm, das ja, aber elend, ich glaube nicht.

Im Calico-Museum haben wir unsere erste Begegnung mit der indischen Bürokratie. Man muss sich nämlich zu Beginn erst mal mit voller Adresse in das Museumsbuch eintragen und bis das alle 20 getan haben dauert es etwas. Das Calico-Museum hat sehr schöne Wandbehänge, aber um sie verstehen zu können, um zu wissen, worum es darauf geht, muss man die Geschichte(n) des Hinduismus kennen und die kenne ich bisher nur rudimentär. Selber durch die Räume gehen darf man nicht. Wir entschließen uns, abzubrechen. Und müssen dem Mann am Ausgang dann auch noch eine schriftliche Begründung liefern.

Letztes Ziel des Tages ist der Sabarmati-Ashram. Hier hat Gandhi mit seinen Gefolgsleuten in den dreißiger Jahren gewohnt. Von dort startete er seinen Salzmarsch. Heute ist dort eine Ausstellung über sein Leben und seine Weggefährten. Vieles erinnert an den Gandhi-Film damals Ende der 80er, der mich damals sehr bewegt und auch geprägt hat.
In einem Teil des Ashrams werden heute Kinder spielerisch in die Lehren Gandhis eingeführt. Gandhis Lehre soll nicht verloren gehen. Inwiefern sie heute noch Indien prägt, vielleicht werde ich auf meiner Reise mehr erfahren.
Gandhi-Statue im Sabarmati-Ashram im Ahmedabad