Tirana

Das Hotel ist gut, auch wenn die Dusche keine Trennwand hat. Das Wasser ist warm, das Bett nicht zu hart und nicht zu weich. Ich wache erholt auf.

Jutta hat beschlossen, mich auf meiner Fototour zu begleiten. Ich habe sie vorgewarnt, wie lange ich manchmal verweile, aber sie beklagt sich wirklich nicht.

Unser erster Weg führt zum Skanderbeg-Platz.

Gjergj Kastrioti, geboren 1405, in der osmanischen Geiselhaft Iskander genannt, kehrte als Bey nach Albanien zurück  und sagte sich kurz darauf von den Osmanen los. Seinen osmanischen Namen behielt er – quasi: Skanderbeg. Er einigte die albanischen Fürsten und auch noch eine Zeit nach seinem Tod 1468 war Albanien kein Teil des osmanischen Reiches. Skanderbeg ist albanische Nationalheld und Freiheitskämpfer, wurde vom Papst zum "Athleta Christi" ernannt und Vivaldi hat sogar eine Oper über ihn geschrieben. Sein Markenzeichen ist ein von einem Ziegenkopf gekrönter Helm. Die Sage erzählt, er hätte eines Nachts die Osmanen durch Ziegen, an deren Hörnern brennende Kerzen gebunden waren, in die Falle gelockt und vernichtend geschlagen.
Kriegerische Zeiten.

Skanderbegs Denkmal ziert die Westseite des Platzes, umweht von der albanischen Flagge.

Der Skanderbegplatz selber ist eine Mischung aus sozialistischer Architektur, Klassizismus, einer alten albanischen und einer neuen sich im Bau befindlichen saudischen Moschee

 

und voll (abhängig vom Blickwinkel) mit Autos. Hauptssächlich Mercedes, Albanien ist das Land mit der größten Dichte an Mercedes, warum auch immer).

Dieser scheinbar so uninteressant große Platz füllt sich gegen Abend, wenn aus allen Ecken Leute dort zusammenströmen. Die Kinder können Spielauto fahren,

die Erwachsenen sitzen auf den Treppen von Oper oder Nationalmuseum und klönen und die Sonne färbt beim Untergehen dem Uhrturm der Et’hem Beg Moschee orange.

 

Aber noch ist es früher Morgen. Die Et’hem Beg Moschee Moschee schauen wir uns genauer an. Wunderschön ausgemalt mit Ranken und Blättern, überhaupt nicht arabisch aber deutlich moslemisch. Ein richtiges Schmuckstück. Im Gegensatz zu mir mit meinem geliehen knallbunt geblümte Kopftuch. Der Moscheewächter spricht rudimentär deutsch. Wir einigen uns auf "Hitler böse, Kommunismus böse, Du nett". Und ein nettes Gesicht hat er wirklich.

Für Moslems wie für Christen und Juden gab es in Albanien seit 1967 lange harte Jahre. Atheismus wurde zum Gesetz erhoben. Religionsausübung wurde verboten. Wer sich beim Beten erwischen lies hatte in Albanischen Gefängnissen wenig bis überhaupt keinen Spaß. Vierzig Jahre lang.
Aber die Wende brachte auch dort die Wende. Mittlerweile sind 60% der Bevölkerung Moslime, 30% katholisch, der Rest orthodox. Zumindest dem Namen nach.
Moslemische Frauen tragen übrigens in Albanien kein Kopftuch. Eher Spagettiträger.`

Am Busbahnhof werden wir angesprochen. Christian, ein Albaner deutlich bayrischer Sozialisation hört unser Deutsch. Und poltert in bester Stammtischmanier über die albanische Regierung und was sie (nicht) für ihre Leute tut. Korruption ist wohl noch weit verbreitet, die Armen werden ärmer, die Reichen reicher.

Die Armut in Albanien Tirana ist erst beim zweiten Blick sichtbar, wird auffällig am Partisanendenkmal an dem viele Männer herumstehen, umringt von in den Bürgersteig gebohrten Schlagbohrmaschinen – offensichtlich ihrem Handwerkzeug.

Romakinder verkaufen an der Oper Kugelschreiber und Zigaretten mit großer Hartnäckigkeit, ihre Mütter halten den Passanten ihre Babys unter die Nase und auch schon mal einen Passanten am Arm fest. Es sind aber nur wenige Roma, die betteln, eigentlich auch nicht mehr als in Frankfurt, nur aggressiver.

Ein junges Mädchen hört Christian auf Deutsch auf uns einreden und stellt sich vor, sie ist vielleicht 16, westlich gekleidet und geht auf eine deutsche Schule. Ihr Deutsch ist sehr gut, sie ist in Deutschland aufgewachsen und würde am liebsten wieder zurück. Aber Albaner bekommen kaum Visa.

Als sie weiter muss, in die Schule, ergreife ich die Gelegenheit und verabschiede uns von unserem albanischen Bayern, der gar nicht mehr zu bremsen ist.
Anmerkung: Christian wollte keineswegs Geld oder Ähnliches von uns, er wollte wirklich nur reden.

Mit meiner Baseballkappe werde ich übrigens für eine Engländerin oder Französin oder Italienerin gehalten. Amerikaner scheinen Tirana noch nicht entdeckt zu haben.

Nicht weit hinter dem Busbahnhof liegt der zentrale Lebensmittelmarkt. Gemüse und Obst, Nüsse und Sonnenblumenkerne. Im Fischlad

en halte ich den Geruch keine zwei Sekunden aus (liegt aber an mir, nicht an dem Laden). In einer großen Halle hängen Hammelhälften. Und davor rotieren Hammelköpfe am Spieß. Soll eine Delikatesse sein (?!)

Jutta will ihre Brille reparieren lassen und steuert den nächsten Brillenladen an. Der Besitzer ist findig, besorgt sich Klebe und macht den Bügel wieder fest. Und einen dicken Klebefleck mitten aufs Glas. Tja, das war’s dann wohl mit der Brille.

An der Auffahrt zum Parlament treffen wir auf einen Albaner aus Wien, wohl ein Geschäftsmann auf Heimaturlaub, nach der Kleidung zu urteilen, vielleicht auch ein Geschäftsmann mit Einfluss. Sein Deutsch ist hervorragend. Seine Ansichten lassen Nationalismus durchklingen, ich hoffe, sein Einfluss ist nicht zu groß.

Tirana ist bekannt für seine bunten Häuser. Der Bürgermeister ist Künstler und er war das triste grau der Plattenbauten gründlich leid. Und sorgte dafür, das die Häuser bunt und mit Mustern angestrichen wurden. Die Idee zieht übrigens auch im übrigen Albanien Kreise.

Blass und verloren wirkt dagegen die Pyramide – ehemaliges Mausoleum des Diktators Enver Hoxha, zwischendurch Kongresshalle und Rutsche für die Kinder, jetzt immer mehr verfallendes Momument der Vergangenheit Albaniens.

Im Park neben dem Parlament spielen die Kinder. Scharen sitzen im Kreis beieinander. Eines läuft immer rundherum und wird bei bestimmten Stichwörtern eingefangen. Ein Spiel ohne Anleitung (warum habe ich das Gefühl, das Kinder heutzutage häufig Anleitung zum spielen brauchen) und ohne Beaufsichtigung. Und fröhlich.

In der Straße zum Hotel dann wartet eine große Schar Menschen auf dem Bürgersteig. Ein Leichenwagen steht auf der Straße. Sechs junge Männer biegen mit einem kleinen Sarg auf ihren Schultern um die Ecke und folgen dem Leichenwagen. Dahinter die schwarz gekleideten Trauernden. Ein kleiner Dämpfer nach der Fröhlichkeit im Park.

Übrigens: Wenn man eines nicht machen sollte, dann ist das, Reiseschecks mit nach Albanien zu nehmen. Glaubt keinem Reiseführer. Man kriegt sie einfach nicht los. Gut, das die Geldautomaten besser funktionieren.

Das Internetcafe neben dem Hotel hat leider an diesem Abend kein Internet. Die Bandbreite ist unten. Wahrscheinlich weil der Hotelportier gerade über Yahoo einen Film guckt. OK, so komme ich heute wenigstens halbwegs früh ins Bett, mit meinem vollen Pizzamagen.