Von Lhasa nach Shigatse

Ein Kleinbus kletterte mit uns weitere 600 Meter höher, nach Xigaze, der zweitgrößten Stadt Tibets. Kein wirkliches Vergnügen, diese Fahrt. Von den drei vorhandenen Straßen waren zwei – natürlich die beiden besseren – gesperrt. So liessen wir unser Gehirn durchschütteln auf einer ziemlichen Holperstrecke. Ob’s geschadet hat, ich hoffe nicht, aber das werdet ihr dann bei der Rückkehr feststellen. Meinen Sitz auf den Achsen konnte ich gegen Asyl bei Elfi eintauschen. Glücklicherweise.

Gegen Mittag erreichten wir den höchsten Punkt der Reise. Ein Pass von ca. 5300 m Höhe. Nicht der höchste Pass der Welt, aber man hat noch weniger Puste als in Lhasa. Der Pass war mit Gebetsfahnen in allen Farben geschmückt. Viele Pilger und Touristen häuften kleine Steinhäufchen zur Erinnerung auf.

5200 Höhenmeter

Dann ging es wieder abwärts. Hier begann das Nomadenland.

Fahrt nach Xigatse

Immer wieder sahen wir schwarze Zelte und Yakherden.

In eines der Nomadenzelt ließ uns der Besitzer freundlicherweise hineinschauen. Ich sage mal: geordnetes Chaos. Vor dem Zelt stand ein Motorrad.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Stückchen weiter trieb ein Nomadenjunge auf einem Pferd

eine prachtvoll mit Sätteln geschmückte Yakherde Richtung Winterquartier, da das Gras auf den Höhen jetzt Ende September doch knapp wurde.

Jakherde

In den Zelten wohnen übrigens hauptsächlich Männer. Die Frauen bleiben in den Steinhäusern zurück und bauen Gerste an und sorgen für die kleineren Kinder.

Haus

Auch in ein Haus konnten wir schauen. Mir ist dieses Eindringen in die Privatsphäre ja ein bißchen peinlich, aber den Leuten schien es nichts auszumachen, sie lächelten freundlich.

Gegen eins aßen wir in einem Restaurantdorf an der Strecke. Ein ziemlicher Müllberg, aber die Nudelsuppe war ganz ok. Leider erst die Hälfte der Strecke.

Mittagessen

Erst gegen 18 Uhr hatten wir es endlich geschafft.

Ich war so fertig, dass ich noch nicht mal mehr Hunger hatte. Nur noch schnell die Wäsche zusammenpacken und abliefern. Na ja, das ging nicht ganz so schnell. Erst mal wurde am Flurtisch alles vom Zimmermädchen ausgepackt, begutachtet und gezählt. Dann wurde die für die Wäsche zuständige Frau gerufen. Die kam gleich mit dem Portier, da der ein bißchen Englisch konnte. Wieder auspacken, begutachten, zählen. Ich habe mich ziemlich amüsiert dabei.
Erst danach wurde ich in mein Bett entlassen.

Norbulinka, Potala und das Sera-Kloster

Uups, verschlafen. Ok, nur fast. Es reichte zwar nicht mehr zum Frühstück, aber so gerade für den Aufbruchstermin.

Das Wetter war, wie auch die letzten Tage, gut, ca. 23 Grad Celsius und sonnig und klar.

Der Tag begann mit einem Spaziergang durch den Garten des Norbulinka. Das ist der Sommerpalast des Dalai Lamas. Genauer „die“ Sommerpaläste, weil anscheinend jeder Dalai Lama seinen eigenen hatte. Wir schauten uns nur den neuesten an.

Norbulinka

Hierher kommen auch viele Pilger, weil sie meinen dem Dalai Lama hier näher sein zu können. Als der Dalai Lama damals fliehen mußte hat sich hier ein ziemliches Drama abgespielt. Die Menschen umkreisten zu 10000 den Palast um ihn zu schützen und die Chinesen schossen mit Granaten. Davon merkt man heute nichts mehr. Alles wirkte sehr friedlich mit seinem Blumenschmuck. Vom Dach klang der Gesang der Arbeiter herüber.

Vom Sommerpalast ging es dann zum Winterpalast, dem Potala. Hier wohnte der Dalai Lama mit 500 Mönchen die übrige Zeit des Jahres. Ein Kloster, eine Festung, ein Palast, ein Schloss, schwer es genau zu bezeichnen. Und Weltkulturerbe. Der Potala hat die rotweisse Färbung der tibetischen Häuser, allerdings ist er erheblich größer und hat eine ganz andere Form. Man findet ihn auch auf dem chinesischen 50Yuan-Schein. Was davon die Tibeter halten, kann man sich denken.
Von den siebenhundertfünfzig Räumen, die er hat, konnten wir fünfundzwanzig besichtigen. Voll mit Buddhastatuen und den Göttern des lamaistischen Pantheons und sehr prächtig. Jeder Raum wird von einem tibetischen Mönch bewacht. Hui hatte einen chinesischen Audioguide und übersetzte für uns, so dass das ganze ein bißchen (aber nur ein bißchen) verständlicher wurde.

Der Potala

Fotografieren darf man innen nicht – wie auch in den anderen lamaistischen Tempeln Tibets. Das geht dann erst wieder auf dem Dach (ja, ich habe es bis oben geschafft!) und dort hat man einen guten Blick auf Lhasa und die umgebenden Berge.

Blick über Lhasa

Nächstes Ziel dieses angefüllten Tages war das Sera-Kloster, ein weiteres wichtiges Kloster bzw. eine Klosteruniversität der Gelbmützen.

Sera

Ich schaute den jungen (ab 18) Mönchen bei ihren Diskutierübungen zu. In lebhaften Streitgesprächen wiederholen sie so den morgens erlernten Unterrichtsstoff. Einer sitzt und der andere steht davor und redet auf den sitzenden ein. Um dessen Aufmerksamkeit zu erhalten wird immer wieder auf den Boden gestampft oder in die Hände geklatscht. Das ganze in einer ziemlichen Lautstärke. Thema des Tages war übrigens die Evolution.

Mönchsdiskussion

Anschliessend spazierte ich noch ein bißchen durch die Klosteranlage und gesellte mich dann zu Hui und wir schrieben gemeinsam Postkarten (bin gespannt, wer eher da ist, die Postkarten oder ich).

Mit dem Stadtbus fuhren wir zurück zum Hotel.
Des Abends gingen Elfi, Klaus und ich mit Hui in ein einfaches tibetisches Restaurant. Oh Wunder, der Service war viermal so schnell wie in dem teuren Restaurant am Vorabend und das Essen genauso gut. Im Restaurant aßen auch Tibeter in Tracht und ein Mönch kam zum Betteln an unseren Tisch (Mönche finanzieren so ihre Wanderschaft).

Rund um den Jokhang, der erste Blick auf den Potala und das Drepung-Kloster

Wie gut das Hotel gelegen war merkte ich erst am nächten Morgen als der Markt öffnete und wir aus unserem Hotelfenster direkt den Pilgern zusehen konnten, wie sie um den Jokhang-Tempel kreisten.

Der Jokhang-Tempel war auch das erste Ziel des Tages. Von aussen entspricht er im Baustil den typischen tibetischen Häusern: rechteckige Würfel mit kleinen Türmchen an den Hausecken, die mit Gebetsfahnen geschmückt sind. Die Oberkante des Hauses ist rötlich gefärbt. der Rest des Hauses ist aussen weiss verputzt.
Der Tempel ist natürlich wesentlich grösser als so ein Haus. Für Touristen ging es durch den Seiteneingang hinein, vorbei an den Pilgern (Wäre ich alleine gewesen, ich hätte mich lieber bei den Pilgern eingereiht). In der Haupthalle des Tempels sind mehrere große vergoldete Buddhafiguren. Davor sind die Sitze der Mönche. Die Pilger werfen sich vor den Buddhas auf den Boden. Zuerst auf die Knie und dann rutschen sie mit den Händen nach vorne und berühren mit der Stirn den Boden.
Gelegentlich zog Weihrauch durch den Tempel. Im obersten Stockwerk schlugen Mönche die Trommel.
Die Atmosphäre ist sehr – tja – religiös, fromm, hingebungsvoll. Sehr verschieden von dem was ich bei uns in den Kirchen kenne. Ich sage es mal so, für mich war die Gegenwart Gottes deutlich spürbar (auch wenn es für Buddhisten eigentlich keinen Gott gibt).

Wir konnten bis hinauf auf das Dach des Tempels steigen. Von dort hat man einen guten Blick auf die Pilger, die den Tempel umrunden und auf die Marktstände. Und (!) auf den Potala, der in der Sonne glänzte. Wir verweilten eine ganze Zeit und liessen das Gesehene und das was wir sahen auf uns wirken.

Dann gingen Elfi und ich den Pilgerweg nach und stöberten an den Marktständen am Weg. Zimbeln, Klangschalen, Gebetsmühlen, Silberschmuck mit Halbedelsteinen, Gebetsfahnen, Mönchsbekleidung, Gebetsschals. Das Schöne an diesem Markt ist, das er nicht für die Touristen da ist, sondern das auch die Tibeter hier kaufen. Und diese Menschen haben solch eindrucksvolle Gesichter! Aus tiefen Runzeln lächelt einem eine alte Frau entgegen. Nomadenmädchen in wunderschönen Trachten kichern hinter vorgehaltener Hand über die Touristen oder über die Jungen in gleichem Alter. Von allen Seiten wird man gegrüsst. Die Leute sind sehr freundlich. Eine alte Frau sah meine Wasserflasche mit Sportverschluss. Nach ihren Gesten zu urteilen hatte sie so etwas noch nicht gesehen. Ich schenkte sie ihr und zeigte ihr, wie man damit umgeht. Auch die jungen Männer sind prachtvoll angezogen. Männer und Frauen tragen aufwändigen Haarschmuck.

Rund um den Jokhang-Tempel

Ein kleines Negativerlebnis hatten wir allerdings auch. Elfi wurde nämlich aus dem Inneren ihrer Tasche heraus das Portemonaie geklaut. Zum Glück war der enthaltene Betrag überschaubar und wir sperrten schnell die Kreditkarte. Ich hoffe mal der Schaden ist dabei geblieben.

Für Nachmittags war das Drepung-Kloster eingeplant. Dieses Kloster ist das Hauptkloster der sogenannte Gelupa- oder Gelbmützen-Sekte, zu der auch der Dalai Lama gehört (Hauptgegenspieler dieser Sekte oder Konfession ist die Rotmützensekte).
Unser local Guide war wohl der Meinung, wir könnten ein bißchen Bewegung gebrauchen, den er steuerte eine Bushaltestelle an, die ca. 1 Stunde zu Fuss entfernt war. So einige von uns fanden das gar nicht gut, da wir die Höhe merkten und sehr schnell ausser Atem kamen (immerhin habe ich später ausserhalb Tibets festgestellt, das meine Kondition doch nicht ganz so mies ist :-).
Das Kloster selber liegt unterhalb eines 5000er-Berges und geht von Treppe zu Treppe :-( steil hinan. Ich muß gestehen, das mir das ein bißchen viel war am ersten Tag auf einer Höhe von 3600 m und so blieb ich an einem kleinen Andenkenladen/Cafe zurück. Interessant waren die Solarkocher, die dort für warmes Teewasser sorgten. Wir haben so etwas ja auch schon mit den Erlösen unseres Eine-Welt-Ladens finanziert. Sie funktionierten recht gut, auch wenn das Wasser immer dann aufhörte zu kochen, wenn die Sonne wegging.

Drepung

Irgendwann ging ich dann den Weg zurück hinunter zum Eingang und hatte ein kleineres Gespräch mit einer Holländerin, die dort ebenfalls auf ihre Gruppe wartete und ähnlich schlechte Erfahrungen mit dem lokalen Guide gemacht hatte wie wir heute.
Bis der Rest der Gruppe zurück kam, war der letzte Bus abgefahren. Was nun? Traktor fahren. Genauer: Traktoren, mit einem festen Anhänger auf dem zwei Bänke festgeschraubt waren. Der fuhr uns hinunter bis zur Hauptstrasse, wo glücklicherweise ein Stadtbus mit der passenden Liniennummer stand, den wir enterten. Und der fuhr dann auch bis auf 100 m vors Hotel.

Nach einem schnellen Essen fiel ich erschöpft ins Bett.

Flug nach Lhasa

Jetzt habe ich doch langsam ein bißchen Reisefieber. Heute geht es nach Tibet !!!
Der Bus zum Flughafen war pünktlich. Der Checkin lief reibungslos und kurz darauf waren wir in der Luft.
Je näher wir Lhasa kamen, desto höher wurden die Berge. Breite Flußtäler und Seen mit grünem und blauem Wasser teilten die Berge voneinander. Schließlich der erste Schnee und dann blitzten Gletscher durch die Wolken.

Lhasas Flughafen ist ziemlich klein. Man kann vom Flugzeug aus zu zur Paßkontrolle laufen und es gibt genau ein Gepäckband. Der Weg zum Bus war nur unwesentlich länger. Das Gepäck wurde auf die Rückbank geladen und dann ging es los.
Der Verkehr in Lhasa ist wesentlich ruhiger als in Beijing oder Xian, aber die Überholtechnik (kurz hupen und dann abbiegen) dieselbe. Ca. 10 min vorm Hotel hielt dann der Busfahrer und verkündete das die Bremsen kaputt seinen. Uups. Er fuhr noch ein Stück sehr langsam weiter und dann mußten wir in Minitransporter umsteigen. Auf die Ladefläche kam unser Gepäck. Binnen kurzem (gegen 20 Uhr abends) erreichten wir unser Hotel. Hungrig suchten wir noch ein Restaurant.
Da merkte ich doch, wie anstrengend die Höhe ist. Ich konnte nur ganz langsam gehen, sonst fing ich an zu pusten. Müde fiel ich gegen halb 11 ins Bett.

Die Terrakotta-Armee, die kleine Wildganspagode und ein Abend im muslimischen Viertel von Xian

Habe ich eigentlich schon etwas über das Wetter berichtet? Nein, ich glaube nicht. Ist auch ziemlich ereignislos. Es scheint nämlich Tag für Tag die Sonne und es ist angenehm warm. Ich würde sagen so um die 24 Grad.

Aber heute gab es wichtigeres als das Wetter. Unser Ziel war die Hauptattraktion Xians, die Terrakottaarmee.
Vorher besichtigten wir eine Terrakottafabrik.

Terrakottashop

Dort konnten wir uns ansehen, wie die Soldaten der Armee damals hergestellt wurden: An der Herstellung beteiligt waren bis zu 10 Personen, darunter vermutlich ein Meister. Die Beine bis zum Rockansatz sind aus massivem Ton. Erst der Körper darüber und der Kopf sind ausgehöhlt. Es gibt 5 verschiedene Typen von Soldaten: Bogenschützen, Fußsoldaten, Generäle und zwei weitere. Die Gesichter der vermutlich um die 6000 mannshohen Soldaten sind samt und sonders individuell – was für eine Leistung!
Nach der langen Zeit ist allerdings so gut wie kein Soldat mehr heile geblieben. Die Decken der Gänge in denen sie aufgestellt waren, waren eingestürzt. Die Leistung der Archäologen, die für die Restaurierung sorgen ist also vergleichbar mit denen der Handwerker (mindestens). Aufgestellt waren und sind die Soldaten in Viererreihen nebeneinander und man kann eine Vorstellung von der Schlachtordnung damals bekommen. Ziemlich beeindruckend. Tja, so kann eine Pazifistin auf einmal Begeisterung für eine Armee entwickeln.
In einer weiteren Halle konnten wir den Kommandostand der Armee begutachten. Alles was fehlt ist der Kaiser, aber dieser liegt ja in seinem Grab.
Ein bißchen überkam mich das beunruhigende Gefühl, diese Armee sei damals durch einen Fluch versteinert worden und erwacht irgendwann wieder zum Leben.

Terrakottaarmee

Die Armee umgibt in ca. 1,5 km Entfernung das Grab des ersten Kaisers. Das Grab selber ist noch nicht geöffnet. Die Sage berichtet, das im Grab das Reich des Kaisers nachgebildet ist mit Flüssen aus Quecksilber. Ein Gerücht, an dem nach neusten Messungen in 2007 wohl etwas wahres dran ist. Keiner weiss ob das stimmt, aber man befürchtet bei Graböffnung eine Bodenverseuchung und die Archäologen wissen noch nicht wie sie das verhindern sollen.

In der Nähe des Grabes wurden schon erste Grabungen durchgeführt und man stiess auf 2 fast perfekt erhaltene Streitwagen aus Bronze im Grössenverhältnis 1:3 in hervorragender handwerklicher Arbeit.

Streitwagen

Der Tag schloss mit einer Besichtigung der kleinen Wildganspagode.

Kleine Wildganspagode

Pagoden sind Aufbewahrungsstätten für Reliquien oder wie in diesem Fall für Bücher bzw. Schriftrollen. Den Inhalt bekommt man aber als Tourist nicht zu sehen. Stattdessen kann man durch die umgebende Parkanlage wandern.
Weiter hinten im Park spielte ein Mädchenorchester in traditionellen Gewändern klassische chinesische Musik.

Mädchenorchester

Hier eine Kostprobe

Zum Abendessen ging es noch ins muslimische Viertel, Fleischspiesse essen. Nachdem ich das Essen auf der Straße gesehen hatte, war meinem Magen schon etwas mulmig, aber das ganze hatte bis auf Wohlgeschmack keine Folgen.

Hendrick und ich beschlossen den Abend dann bei einem Bummel durch das Viertel. Unglaublich, wieviel hier des Nachts noch auf den Straßen los ist. Natürlich haben die Garküchen noch offen. Kinder spielen auf dem Bürgersteig Federball. Taxen drängen sich zwischen den Fahrrädern. In den Hauseingängen wird Mahjongg gespielt.
Und in einem Kaffee auf dem Weg zum Hotel gab es Schwarzwälder Kirschtorte und Frankfurter Kranz (nein, ich habe nichts gegessen, aber gestaunt) und auf einer Tanzfläche vor der Stadtmauer tanzten chinesischen Paare langsamen Walzer.